Schattenbraut - Black, L: Schattenbraut - Takeover (1)
und starrte sie an. Weder Ermutigung noch Verurteilung waren auf seinem Gesicht zu lesen. »Und was, wenn Paul eine der Geiseln wäre, die er mitnehmen will, Theresa? Würden Sie sich dann immer noch so entscheiden?«
Er hatte Recht, und sie hasste ihn dafür. Doch ihre wachsende Verzweiflung ließ sie widersprüchlich werden. »Wir müssen etwas tun.«
»Wir zögern alles hinaus. So funktioniert das Ganze. Wir beschäftigen ihn mit Einzelheiten und kleinen Entscheidungen. Wir schicken Essen hinein, kalte Platte und Brot, sodass die Geiseln die Sandwiches erst belegen müssen. Das erzeugt engere Verbundenheit als bereits fertige Sandwiches. Und wir reden natürlich die ganze Zeit mit ihnen.«
»Bis wann?«
»Bis sein Selbsterhaltungstrieb seinen Ehrgeiz übertrifft.« Cavanaughs Hand griff zum Telefon.
Lucas hob beim zehnten Läuten ab. »Ich sehe unser Auto nicht, Chris.«
»Es ist auf dem Weg. Aber ich kann es Ihnen nicht überlassen, bevor ich nicht sicher bin, dass nicht noch jemand verletzt wird.«
»O doch, das wird es«, sagte Lucas. »Und das wird Brad sein. Sechzig Sekunden.«
Theresa wandte sich vom Mikroskop zum Bildschirm, um einen besseren Überblick zu haben. Lucas zielte mit dem Gewehr auf den jungen Bankangestellten, der seine Augen mit zitternder Hand bedeckte.
»So können wir nicht arbeiten, Lucas.«
»Sie nicht. Ich schon.«
»Haben Sie das Telefon auf laut gestellt, Lucas?«
»Ja, warum, Chris? Ich muss gerade die Hände frei haben.«
»Können Sie den Hörer abnehmen? Ich muss mit Ihnen allein reden.«
Theresa sah, wie Lucas zögerte, dem Apparat einen Blick zuwarf, die Möglichkeiten gegeneinander abwog. Vielleicht war die Neugier stärker.
»Wollen Sie Bobby ausschließen?«
»Nein, nein. Es ist mir egal, ob Bobby unser Gespräch hört, aber ich will nicht, dass uns die Geiseln hören können.«
Theresa beobachtete, wie Lucas sich umdrehte, zu Bobby sah, dann den Hörer abhob. Er stand auf der Seite des Informationsschalters, etwas hinter den Geiseln, aber nicht voll im Blickfeld der Angestelltenlobby.
»Bitte hören Sie mir eine Minute zu, ohne mich zu unterbrechen. Bei Ihnen befindet sich eine Frau, die sich sehr aufregen wird, wenn sie hört, was wir hier besprechen, und ich will nicht, dass irgendwer da drüben die Nerven verliert. Haben Sie mich verstanden?«
»Ich habe die Uhr nicht angehalten, Chris. Vielleicht möchten Sie ja endlich zum Punkt kommen.«
Schweiß lief Cavanaughs Nacken hinunter.
»Er schwitzt«, flüsterte Theresa Frank zu.
»Er lenkt die Aufmerksamkeit eines bewaffneten Killers auf eine junge Frau und ihr Kind. Das ist ein unglaubliches Risiko. Ich würde mir da auch die Seele aus dem Leib schwitzen.«
»Wahrscheinlich hat er deswegen auch nur ›Frau‹ gesagt, ohne nähere Angaben. Sie könnte eine von zweien sein, wenn Lucas nicht weiß, wie sie aussieht.«
»Bisher hat er nichts dergleichen erkennen lassen.«
Cavanaugh sprach leise, aber deutlich in den Telefonhörer. »Wollen Sie uns sagen, warum Sie Mark Ludlow umgebracht haben, Lucas?«
Schweigen am anderen Ende der Leitung. Doch auf dem Bildschirm sah Theresa, wie Lucas sich mit dem Hörer am Ohr vom Informationsschalter abwandte und in Bobbys Richtung sah. Er sagte nichts, und das Bild war zu unscharf, um zu erkennen, ob die beiden ein stummes Zeichen austauschten. Dann antwortete Lucas: »Nie von ihm gehört.«
»Er war ein Revisor der Notenbank, hat früher in Atlanta gearbeitet. Wir haben ihn heute Morgen ermordet aufgefunden.«
»Nie von ihm gehört.«
»Es besteht die geringe Chance, dass er die Wahrheit sagt«, flüsterte ihr Frank zu. »Das würde erklären, warum er Mrs. Ludlow überhaupt nicht beachtet. Man würde doch meinen, wenn er Mark Ludlow gut genug kannte, um Insiderinformationen von ihm über die Bank zu bekommen, dann sollte er auch seine Frau und das Kind kennen.«
»Und wir wissen immer noch nicht sicher, ob Cherise wirklich tot ist. Was, wenn sie seine Komplizin ist? Was, wenn sie der Kontakt hier in der Bank war, nicht Ludlow?«
»Warum ist Ludlow dann tot?«
»Vielleicht hat er etwas herausgefunden, oder vielleicht hatte er zu etwas Zugang, an das sie nicht herankam.«
Cavanaugh fuhr währenddessen fort: »Sie müssen unseren Standpunkt verstehen, Lucas. Wir haben heute Morgen einen toten Mann gefunden, und jetzt wurde Cherise getötet. Sie vor diesem Hintergrund mit Menschen aus der Bank gehen zu lassen … Nun, wie können wir sicher sein, dass Sie
Weitere Kostenlose Bücher