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Schattenbrut (German Edition)

Schattenbrut (German Edition)

Titel: Schattenbrut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Seider
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Hörer auf die Gabel und starrte das Telefon an.
    Sie lehnte sich zurück und schlug ein Bein über das andere. Ihre Knie zitterten. Die aufgeregte Freude auf Loic war verschwunden, doch Paula sollte es nicht noch einmal gelingen, ihre Gedanken zu dominieren. Sie öffnete eine Datei auf ihrem PC und rief sich den Fall in Erinnerung, der nächste Woche vor Gericht gehen würde. Nach kurzer Zeit war sie konzentriert bei der Sache, und als sie erneut auf die Uhr sah, war es 16.23 Uhr.
    Erleichtert fuhr sie den Computer herunter und räumte ihren Schreibtisch notdürftig auf.
    In der Bibliothek saß nur noch Ulrich und las eine Fachzeitschrift. Die Fenster waren geöffnet und es roch nach kaltem Rauch und feuchter Erde.
    »Ich gehe«, sagte Billy.
    »Du warst bereits gestern die Erste, die ging.«
    »Ich mache es wieder gut.«
    Ulrich lachte laut. »Bloß nicht. Du bist viel zu jung, um dein Leben hinter Paragraphen zu verbringen. Als ich so alt war wie du ...« Seine Mine wurde plötzlich ernst. »Aber du siehst nicht so aus, als seist du glücklich.«
    »Bei mir ist alles Okay.« Billy versuchte ein Lächeln. »Ich habe nur privat viel um die Ohren.«
    »Ist es ein Mann?«
    »Billy dachte an Oren Albrecht und lachte. »Nicht so, wie du denkst. Ich erzähle dir bald mehr darüber. Aber jetzt muss ich los.«
    Im Fahrzeug lehnte sie sich erstmal zurück und atmete tief ein. Das Telefonat mit Paula hatte ihr die Laune verhagelt. Dazu fühlte sie den Anflug eines schlechten Gewissens. Das ist kein Spiel mehr, hatte Paula gesagt, aber sie irrte sich. Der Kranz war ein Spiel gewesen, ein boshaftes, aber harmloses Spiel, und Billy hatte mitgespielt. Sie dachte an Paulas süße Tochter und das verschmierte Baby. Das alles sollte ein Spiel bleiben. Sollte Remy bei ihr anrufen, würde sie ihn beruhigen. Aber jetzt wollte sie sich auf Oren freuen.
    Sie drehte den Rückspiegel, warf einen Blick hinein und fragte sich erneut, wie er sie sehen würde. Dünne Krähenfüße zierten die Haut neben ihren Augen, doch die dezenten Sommersprossen gaben ihr etwas Jugendliches. Sie probierte ein paar Gesichtsausdrücke, doch keiner erinnerte sie an jene Mütter aus amerikanischen Vorabendserien, die sich jeder junge Mensch wünscht. Solche Mütter würden auch nicht ihre Kinder hergeben, dachte sie bitter und schnitt ihrem Spiegelbild eine Grimasse. Seufzend startete sie schließlich den Motor und fuhr im zweiten Gang durch die Stadt. Sie stellte ihren Wagen vor der Blume ab und betrat mit weichen Knien das Lokal, in dem sie früher häufig gewesen war. Die Einrichtung war dieselbe wie damals: schmutzige Fenster aus gelbem Milchglas, eine geschwungene Theke und Holzmobiliar aus den Siebzigern. Der Pächter hatte offenbar versucht, mit Filmplakaten und Neonlampen ein wenig Modernität zu schaffen. Billy fand nicht, dass es ihm gelungen war. Der Nebenraum war ähnlich groß wie der Hauptraum und auch so eingerichtet, nur dass die Theke unbenutzt schien und stattdessen eine Abstellfläche für Bierdosen aus aller Welt bot. Sie wählte einen Tisch in der Ecke. Außer ihr lümmelten nur noch zwei junge Typen mit Bierflaschen an dem Billardtisch, der die Mitte des Raumes einnahm. Sie unterhielten sich lautstark und warfen Billy verstohlene Blicke zu.
    Billy bestellte bei der Kellnerin ein Tannenzäpfle, das einheimische Bier, und sah aus dem Fenster hinaus auf eine ungefähr drei Meter hohe, in scheußlichen Grüntönen gestrichene Plastikwand. Früher hatte nur ein einfacher Maschendrahtzaun den Weg zu den Schienen versperrt. Doch nachdem sich so viele Menschen vor die Züge geworfen hatten, dass wohl jeder Emmendinger mindestens einmal zerfetzte Körperteile zu Gesicht bekommen hatte, wurde diese Schutzwand gebaut. Die Lebensmüden, meist Patienten der örtlichen Psychiatrie, mussten jetzt einen Kilometer laufen, um an ihr Ziel zu kommen. Nicht, dass das jemanden gehindert hätte, sich vor einen Zug zu werfen, doch zumindest blieb die Innenstadt von Blut und Fleischresten verschont.
    Billy stützte die Ellenbogen auf den Tisch und legte ihr Kinn in die flachen Hände. Sie hatte noch immer keine Ahnung, wie sie beginnen sollte. Sie sah auf die Uhr. Noch zwölf Minuten. Falls er pünktlich war. Die beiden Männer am Billardtisch taxierten sie nun mit unverschämten Blicken und Billy sah unbehaglich zur Seite. Es war keine gute Idee gewesen, hierher zu kommen. Einmal hatte sie seit ihrer Rückkehr nach Emmendingen dieses Lokal besucht, neugierig,

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