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Schattenbrut (German Edition)

Schattenbrut (German Edition)

Titel: Schattenbrut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Seider
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Moment alles in ihr umstülpen. Loic, dieses kleine Wesen, das in ihrem eigenen Körper herangewachsen und ihr doch fremd geblieben war, wurde zu Oren Albrecht. All die Liebe, die sie nie hatte geben können und die sie daher aufgefressen hatte, floss zu diesem jungen Mann. Sie sah die vollen Lippen, die gerade Nase und wieder diese Augen, in denen man versinken konnte, und erst jetzt wurde ihr bewusst, wie schön er war. Er hatte seine Beine übereinandergeschlagen und wippte mit einem Fuß. Seine Arme drückte er fest gegen die Brust.
    »Es war nicht richtig, dich hier zu überfallen.«
    Er ließ die Arme sinken und entspannte ein wenig. »Es ist in Ordnung. Ich weiß nur nicht, was ich sagen soll.«
    Ihr ging es genauso. »Erzähle mir etwas aus deinem Leben.«
    »Ich habe dir bereits gesagt, dass ich mit meinen Eltern Probleme habe.«
    Irrte sie sich oder hörte sie einen Vorwurf aus seinen Worten?
    »War das immer so?«
    »Sie haben mich adoptiert, weil sie keine eigenen Kinder bekommen konnten. Zumindest glaubten sie das. Doch zwei Jahre nach meiner Geburt kam Alon auf die Welt. Es war nicht so, dass sie mich nicht mehr wollten, aber Alon war das bessere Kind. Ruhiger, klüger und fröhlicher. Sicher wäre er auch der Liebling geworden, wenn ich ebenfalls ein leibliches Kind gewesen wäre.« Er bemühte sich um einen gelassenen Tonfall, konnte jedoch eine gewisse Bitterkeit nicht verbergen.
    Billys Kehle wurde eng. »Das ist schrecklich«, gab sie mit erstickter Stimme zurück.
    »Nein, es ist nicht schrecklich. Schrecklich wäre, wenn ich alleine gewesen wäre. Aber sie waren trotz allem immer für mich da.« Er musterte sie zornig und sie begriff, dass er ihre Worte als Angriff gegen seine Familie sah.
    »Es tut mir leid, Oren.« Sie beugte sich über den Tisch. »Ich habe kein Recht, so etwas zu sagen. Es macht mich nur wütend, wenn ich mir vorstelle, dass du es nicht schön hattest. Aber das ist alleine meine Schuld.« Abermals traten Tränen in ihre Augen und sie wischte sie ärgerlich weg. Das hier lief komplett schief.
    »Ist schon gut«, sagte Oren. »Ich verstehe, dass es schwer ist für dich.« Wieder versuchte er, gelassen zu klingen. Gleichgültig, so als würde er über den Dingen stehen. Aber seine Haut glänzte von Schweiß.
    Billy lehnte sich zurück und überlegte krampfhaft, welche Frage unverfänglich genug war. »Wie kommst du zu deinem Namen?« Etwas Besseres fiel ihr nicht ein, aber zumindest zeigte er einen Anflug von einem Lächeln.
    »Mein Vater ist Religionswissenschaftler mit einem Hang zum Hebräischen. Sein Kanarienvogel heißt Absalon.«
    Billy fiel in sein Lachen ein. »Und wofür interessierst du dich?«
    Sein Lächeln erstarb. »Im Moment suche ich nur einen Weg, von zu Hause wegzukommen.« Er stockte. »Wirst du mich jetzt trotzdem vor Gericht vertreten?«
    Billy winkte ab. »Mach dir darüber keine Gedanken. Ich werde dir helfen, egal, worum es geht.«
    »Okay.«
    »Erzähl mir etwas von dir. Irgendetwas«, bat Billy.
    Oren schüttelte den Kopf und klopfte mit dem Zeigefinger auf den Tisch. »Ich würde jetzt doch lieber gehen.«
    Ich habe es versaut!
    »Natürlich«, gab sie zurück.
    Nun war er es, der sich zu ihr beugte. »Verstehe mich nicht falsch. Ich bin im Augenblick nur überrascht. Gib mir Zeit, um alles zu verdauen.«
    Billy schluckte schwer und holte eine Visitenkarte aus ihrer Handtasche. »Hier sind alle meine Nummern drauf. Wann immer du möchtest, melde dich.«
    Er griff die Karte und steckte sie in seine Hosentasche. Dann stand er auf und schob den Stuhl ordentlich zurück an den Tisch.
    »Ich werde anrufen. Versprochen.« Dann ging er, ohne sich noch einmal umzudrehen, und Billy starrte lange auf die Tür, hinter der er verschwunden war. Irgendwann nahm sie die Bierflasche und drehte sie langsam in ihrer Hand. Sie hatte es versaut. Aber sie war seine Mutter. Sie hoffte, dass diese Gegebenheit für ihn ausreichte, um ihr eine zweite Chance zu geben.

7.
     
    Schmutzig graue Wolken hingen tief am Himmel und peitschten ihre Regentropfen wütend gegen Billys Fenster. Gedankenverloren betrachtete sie die Rinnsale, die wie Sturzbäche an der Scheibe hinunterliefen. Der Sommer hatte sich endgültig verabschiedet, und Billy spürte eine gewisse Wehmut über unwiderruflich vergangene Tage, die sie über den Akten in ihrem Büro statt am See verbracht hatte, und andere vertane Chancen, die viel weiter zurücklagen. Ihr Mobiltelefon klingelte, und sie griff

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