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Schattenbrut (German Edition)

Schattenbrut (German Edition)

Titel: Schattenbrut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Seider
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nicht. Sie sprang auf, stellte sich ans Fenster und sah hinaus. Immer dasselbe Bild. Passanten mit Einkaufstaschen, Kinderwägen und Fahrrädern, ein paar Obdachlose und über alldem die Herbstsonne. Dasselbe Bild und doch völlig anders. Morgen würde er wiederkommen. Und dann? Billy lachte laut auf. So lange konnte sie nicht warten. Sie warf einen Blick auf das Telefon. Draußen hörte sie das Klacken einer Tastatur. Sie sah auf die Kirchturmuhr. Noch nicht mal zehn Minuten nach elf. Sie könnte zumindest versuchen, ihn zu erreichen. Sie musste mit Loic sprechen. Mit Oren. Eine plötzliche Angst ergriff sie. Was, wenn es doch ein Zufall war?
    Und wennschon.
    Eilig versorgte sie die bearbeiteten Akten, schrieb die Telefonnummer von Oren Albrecht auf einen Zettel, den sie in ihre Hosentasche steckte, packte ihre Handtasche und verließ das Büro.
    »Ich mache Mittagspause«, sagte sie zu Laura und ignorierte deren hochgezogene Augenbrauen. Die Tür zu Ulrichs Büro stand offen, der süße Geruch von Pfeifenrauch kam ihr entgegen. Ulrich war ein leidenschaftlicher Verfechter der Rechte für Raucher. »In dieser Kanzlei wird hart gearbeitet, viel geraucht und hochwertig getrunken«, hatte er bei ihrem ersten Vorstellungsgespräch mit einem verschmitzten Grinsen verkündet, und obwohl Billy sich die Zigaretten abgewöhnt hatte, war ihr Ulrich in diesem Moment ans Herz gewachsen. Sie klopfte kurz an die offene Tür und trat dann ein. Gerd Nannen, einer der Partner, saß mit übereinandergeschlagenen Beinen auf einem Besuchersessel.
    »Ich fahre über Mittag nach Hause«, sagte Billy.
    Ulrich legte die Pfeife in den Aschenbecher und warf ihr einen tadelnden Blick zu. »Du weißt doch, dass wir später eine Weinprobe machen. Wir brauchen euch alle als Schiedsrichter.«
    Billy lachte. Ulrich war Badner und Liebhaber lokaler Weinsorten, während Gerd als überzeugter Schwabe darauf bestand, dass kein Kaiserstühler Rotwein an den Geschmack eines Trollingers heranreichte. »Ich habe schon oft gesagt, dass ich so früh nicht trinken kann.«
    Gerd hob mahnend den Finger. »Du solltest dich mehr anstrengen, um uns zu beweisen, dass es richtig war, eine Frau ins Team zu holen.«
    »Er hat recht, Kampfzwerg. Hier braucht es mehr als einen wohlgeformten Busen, um Eindruck zu schinden.«
    »Ist ja gut, ihr zwei. In einer Stunde bin ich zurück, aber jetzt habe ich etwas zu erledigen.«
    »Du arbeitest zu viel«, stellte Ulrich fest und griff wieder nach seiner Pfeife.
    Billy grinste und verließ dann mit einem kurzen Winken das Büro.
    Ihr Fahrrad stand unabgeschlossen im Hinterhof. Sie hatte sich angewöhnt, an den Tagen, an denen sie keinen Gerichtstermin hatte und somit in bequemer Kleidung arbeiten konnte, das Rad anstelle des Wagens zu nehmen, und sie trat kräftig in die Pedale. Der Fahrtwind ließ ihre Augen tränen. Als sie fünfzehn Minuten später das Schwarzloch erreichte, eine Wohnsiedlung aus den Neunzigern, in der sie das Erdgeschoss eines Vierfamilienhauses bewohnte, klopfte ihr Herz hart gegen ihre Rippen. Sie war nicht sicher, ob dies an der Anstrengung lag oder eher an der Aufregung.
    Sie schloss ihre Wohnungstür auf, kramte die Telefonnummer hervor, hängte ihre Jacke auf und holte das Telefon. Sie schluckte. Mitsamt dem Zettel legte sie den Apparat auf den Esstisch ihrer Wohnküche. Langsam zog sie die Schuhe aus und stellte sie neben die Tür. Dann schaltete sie das Radio an, schenkte sich ein Glas Wasser aus dem Hahn ein und setzte sich an den Tisch. Ihre Hände zitterten, als sie den Hörer nahm. Langsam drückte sie die Ziffern und erschrak, als das Freizeichen erklang. Einen kurzen Moment überlegte sie, einfach wieder aufzulegen, und verwünschte die Technik, die ihre Nummer auf Orens Handy anzeigen würde. Nach zweimaligem Tuten meldete sich eine männliche Stimme. »Hallo?«
    Billy straffte die Schultern. »Hier ist Sibylle Thalheimer.«
    »Oh, Frau Thalheimer. Hallo.« Er klang überrascht.
    »Ich habe ein Anliegen, das seltsam für Sie klingen mag.«
    Er schwieg.
    »Ich würde Sie gerne persönlich treffen.«
    »Ihre Sekretärin hat mir für morgen bereits einen Termin gegeben.«
    »Ich meine, außerhalb der Kanzlei.«
    »Oh.«
    Sie räusperte sich. Verdammt, warum hatte sie sich nicht etwas zurechtgelegt?
    »Meinen Sie ein Date?«, fragte er unsicher.
    Billy lachte nervös. »Keine Angst, ich will kein Date. Zumindest kein Romantisches.«
    Auch er lachte. Erleichtert, wie sie vermutete.
    »Ich möchte

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