Schattenbrut (German Edition)
mir gezeigt hat, dass Mut der einzige Ausweg ist. Jener Mut, der die Angst überwindet und zu Leistung antreibt. Der keine Rücksicht nimmt auf Schwäche.
Und gäbe es nicht Billy, ich würde glauben, ich sei die Einzige. Wenn man es genau nimmt, dann bin ich es auch, denn selbst Billy wurde infiziert. Hat sich infizieren lassen. Die Erkenntnis war wie ein Messer in meiner Brust. Doch nur ich weiß, wer Billy in Wahrheit ist. Sie ist wie ich. Sie vermutet, sie sei falsch in dieser Welt aus Moral. Sie meint, ihre Stärke verstecken zu müssen. Und sie glaubt, sie sei alleine. Doch das wird sich bald ändern. Ich will, dass Billy endlich wieder kämpft. Ich will mit eigenen Augen sehen, wie sie vernichtet. Und ich werde ihr das größte Geschenk bereiten, das man einem Menschen überhaupt machen kann.
6.
»Die Menschen dort müssen mehr sparen als jedes andere Volk, und dieses idiotische Geschwätz gehört an den Stammtisch«, ereiferte sich Ulrich über Toms Bemerkung, man solle die Griechen bankrottgehen lassen.
Die Anwälte saßen geschlossen in der Bibliothek, auf dem Tisch standen noch vereinzelte Schnittchen und mehr als ein Dutzend gebrauchter Weingläser. Nachdem die Diskussion darüber, welcher der bessere Wein war, fruchtlos geblieben war, ging es jetzt darum, Europa zu retten, und Billy war dankbar für die Ablenkung. Die Tür ging auf und Lauras krause Locken kamen zum Vorschein.
»Frau Thalheimer, ein Telefonat. Ab wann darf ich mit Ihnen rechnen?« Sie triefte vor Hohn.
»In einer Stunde«, gab Ulrich energisch zurück, doch Billy winkte ab.
»Ich komme«, sagte sie und stand auf.
»Du sollst dich nicht so hetzen lassen«, hörte sie Ulrich, während sie hinter Laura herlief.
»Worum geht es?«
»Es ist privat.« Laura sah aus, als hätte sie ein angewidertes >Schon wieder< auf der Lippe.
Tamy, dachte Billy sofort. »Stellen Sie durch.« Billy ging in ihr Büro, schloss die Tür hinter sich und setzte sich, als das Telefon zu blinken begann. Sie griff nach dem Hörer und meldete sich.
»Hier ist Paula.« Die Stimme klang kühl.
Paula. Fast hätte sie dieses Problem vergessen. Wie auf Knopfdruck fühlte Billy die heiße Wut unterhalb ihres Nabels. »Woher hast du meine Nummer?«
»Es gibt nur eine Sibylle Thalheimer in Emmendingen.«
»Aha.« Zum ersten Mal bereute sie, bei der Heirat ihren Mädchennamen behalten zu haben und so für jeden zumindest in der Kanzlei auffindbar zu sein.
»Billy ...« Paula schien, als wäre sie auf das Gespräch nicht vorbereitet. »Dein Auftritt vor zwei Tagen hat mich in Schwierigkeiten gebracht«, begann sie schließlich.
Billy öffnete verdutzt den Mund. »Du hast dich selbst in Schwierigkeiten gebracht.«
»Ich weiß.« Paula machte eine Pause und Billy sah sie deutlich vor sich, wie sie eine Haarsträhne um ihren Finger wickelte. Paula gab es wirklich zu.
»Aber können wir damit aufhören?«, fragte sie.
»Lass mich einfach in Ruhe, und ich werde dich in Ruhe lassen.«
»Versprochen.«
Billy hörte das Atmen am anderen Ende der Leitung. Es klang seltsam schwer. »Dann ist ja alles klar.«
»Mein Mann will mit dir sprechen«, sagte Paula unvermittelt.
»Wie bitte?«
»Remy ist schrecklich eifersüchtig. Nachdem du vorgestern gegangen bist, war er außer sich.« Wieder eine Pause. »Und gestern bat er mich um deine Nummer, um dich anzurufen. Bitte sag ihm, dass du nur Spaß gemacht hast. Oder sag ihm von mir aus, dass du wütend auf mich bist und deshalb diese Lügen erzählt hast.«
»Ich habe keine Lügen erzählt. Oder warst du etwa in der Sauna?«
»Bitte!« Paula klang verzweifelt, und Billy hatte sogar ein wenig Mitleid. Dann dachte sie an den Kranz. An das Gesicht von Julias Mutter.
»Deine Ehe geht mich nichts an, und was dein Mann denkt, ist nicht mein Problem.«
»Ich weiß. Aber er will unbedingt von dir hören, was du genau gemeint hast.« Ihre Stimme klang monoton, aber Billy konnte Paulas Furcht heraushören.
»Dann sorge besser dafür, dass dein Mann sein Vorhaben aufgibt, sonst wird er Dinge über seine Frau erfahren, die ihm nicht gefallen.«
»Das ist kein Spiel mehr«, zischte Paula.
»Nein, es ist kein Spiel mehr«, gab sie kalt zurück.
Billy hörte nur das Atmen am anderen Ende der Leitung, aber sie wusste, dass Paula ihre Augen zusammenkniff.
»Ich bin nicht mehr das kleine Mädchen von früher. Ich lasse mir nichts mehr gefallen«, sagte sie.
»Erzähl das deinem Mann.« Mit diesen Worten knallte Billy den
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