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Schattenbrut (German Edition)

Schattenbrut (German Edition)

Titel: Schattenbrut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Seider
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meiner Geburt gemacht, drei Tage, bevor man mich aus der Klinik entließ und zu meinen Eltern nach Hannover brachte.« Sein angespannter Kiefer bildete sich deutlich unter seiner Haut ab. »Ich weiß nicht einmal, in welcher Stadt das Bild entstanden ist.«
    »Freiburg«, gab sie knapp zurück und betrachtete wieder das Foto. Loic, oder besser Oren, trug einen weißen Strampelanzug mit blauen Streifen. Seine Augen waren geschlossen und er sah so unglaublich friedlich aus.
    »Ich bin es also wirklich?«
    Sie legte das Bild vor sich auf den Tisch. »Ja, Oren, du bist mein Sohn.«
    Er betastete vorsichtig seine Nase, als wüsste er nicht, wohin mit dieser Antwort.
    Worte drängten sich in ihr hoch, Erklärungen, Rechtfertigungen für ihr Handeln, doch sie sprach keines davon aus. »Möchtest du etwas trinken?«, fragte sie stattdessen erneut.
    Er schüttelte den Kopf. »Erzähle mir lieber von dir.«
    »Was willst du wissen?«
    »Was war mit meinem Vater?« Seine Frage klang nebensächlich, so als würde er nur Smalltalk betreiben wollen, doch an seinen geweiteten Pupillen erkannte sie, dass es für ihn wichtig war.
    »Dein Vater ging mit mir zur Schule, zwei Klassen über mir. Er hieß Till, spielte Handball und war ein guter Schüler.« Verdammt, sie klang wie eine Politikerin.
    »Warst du verliebt?«
    Sie griff nach dem leeren Weinglas und rieb mit dem Zeigefinger über den kühlen Rand. »Natürlich.« Ihre Wangen glühten.
    »Und er?«
    »Was meinst du?«
    »War mein Vater auch in dich verliebt?«
    Sie stand auf und holte aus dem Kühlschrank einen neuen Weißwein. Sie spürte seine Blicke auf ihrem Rücken brennen, während sie die Flasche entkorkte und ein zweites Glas aus dem Schrank nahm. Sie wollte, dass Oren ihr vertraute, und ihr war klar, dass sie dafür aufrichtig sein musste. Doch gleichzeitig fühlte sie sich schrecklich schäbig. Sie setzte sich wieder, schenkte Wein in beide Gläser und schob Oren eines davon rüber.
    »Wenn du etwas anderes magst ...«
    »Nein«, unterbrach er sie. »Sag mir nur die Wahrheit.«
    Sie trank einen Schluck und schwenkte das Glas in ihrer Hand. »Die Wahrheit ist, dass ich für deinen Vater nie tiefere Gefühle hatte. Ich fand ihn attraktiv und spannend, mehr nicht. Doch er verliebte sich in mich.«
    »Und warum hast du mit ihm geschlafen, wenn du nicht verliebt warst?«
    Bildete sie sich das ein, oder klang er ärgerlich?
    Sie stellte den Wein ab und rieb die Handflächen aneinander. »Till war toll, ich mochte ihn. Und ich dachte, dass ich mich vielleicht in ihn verlieben könnte.«
    Er rümpfte die Nase.
    »Er war mein erster Mann.« Sie kaute auf ihrer Unterlippe.
    »Und danach hast du ihn verlassen?«
    »Ja.«
    »War das, bevor du wusstest, dass du schwanger bist?«
    »Ja.«
    »Hast du ihm gesagt, dass du ein Kind erwartest?«
    Sie dachte unweigerlich an die Kreuzverhöre in amerikanischen Gerichtsfilmen. Sie hasste es, ausgefragt zu werden, doch sie zwang sich, ehrlich zu antworten. »Nein.«
    »Heißt das, er weiß nichts von mir?« Seine Stimme wurde lauter.
    »Außer meiner Mutter weiß niemand von dir, Oren.« Sie sah zu ihm hoch.
    Er findet mich abscheulich.
    »Warum nicht?«
    Sie trank noch einen großen Schluck. »Weil es zu sehr weh tat.«
    »Was tat weh?«
    Langsam bekam sie Zweifel daran, ob es Oren nur darum ging, Antworten zu bekommen, oder ob er sie bewusst in die Ecke drängte. Es durfte keine Rolle spielen.
    »Es tat weh, dass ich dich hergeben musste. Als ich erfuhr, dass ich schwanger war und entschied, dich zur Adoption freizugeben, dachte ich wirklich, dass ich dich irgendwann vergessen könnte. Dass ich mein Leben so führen könnte, als hätte es dich nie gegeben.«
    Seine Augen waren nur noch schmale Schlitze und sie beugte sich über den Tisch nach vorne. »Aber als du auf der Welt warst, wusste ich, dass dies niemals möglich sein würde. Von dem Moment an, als du endlich da warst, habe ich mich nach dir gesehnt, und du ahnst nicht, wie oft ich bereut habe, dass ich dich nicht gleich nach der Geburt an mich gerissen habe, um dich nie mehr loszulassen.« Sie spürte die warmen Rinnsale auf ihren Wangen. Es war ihr egal. »Es tut mir so schrecklich leid, Oren.«
    »Gab es Männer nach meinem Vater?«
    Die Frage verwirrte Billy. »Es gab zwei Beziehungen. Die Erste ging ein Jahr, den Zweiten habe ich geheiratet. Wir waren neun Jahre zusammen.«
    »Warum habt ihr euch getrennt?«
    Billy faltete die Hände und lehnte sich zurück. Einen kurzen

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