Schattenbrut (German Edition)
sie von dem Kranz erzählen sollte. Sie dachte an Paulas Kinder. Nie würde Paula einen Mord begehen und damit ihre Verantwortung als Mutter gefährden. Es war aberwitzig. Doch die einzige Möglichkeit, die sie gerade sah.
»Sprechen Sie auch mit Paula Moog?«, fragte sie vorsichtig.
»Natürlich.« Wenberg musterte sie gründlich. »Frau Moog wusste nichts von dem Bild, oder?«
»Nein. Und wenn Frank mit ihr darüber gesprochen hätte, dann hätte sie das sicher nicht für sich behalten.« Sie stockte kurz. »Glauben Sie, dass diese alte Geschichte etwas mit Clarissas Tod zu tun hat?«
Wenberg legte den Stift auf den Tisch. »Wir haben noch nicht genug Informationen, aber bis auf den Text und dieses Bild konnten wir bisher keine Auffälligkeiten in Frau Puhlmanns Leben finden.« Wenberg richtete sich auf und holte ein Formular aus ihrem Ordner. »Wenn Sie mir noch Ihre Kontaktdaten aufschreiben würden, wären wir fertig.« Sie schob ihren Stift über den Tisch und Billy füllte die Felder aus.
»Falls noch etwas wäre«, sagte sie, während sie das Blatt der Kommissarin reichte, »könnten Sie mich einfach anrufen? Ich bin zeitweise bei meiner Mutter, möchte aber nicht, dass sie davon erfährt. Ich will sie nicht beunruhigen.«
»Natürlich.« Wenberg schob das Formular mit Billys Daten in den Ordner. »Aber jetzt genießen Sie erst einmal Ihr Wochenende. Ich glaube nicht, dass wir Sie noch einmal brauchen.«
Billy hoffte, dass Wenberg recht behalten würde. Aber ein dunkles Gefühl ließ sie zweifeln.
13.
Wohlig streckte sie sich aus und zog die weiche Decke bis über ihr Kinn. Sie lag in der gemütlichen Dachkammer, die sie in ihrer Jugend bewohnt hatte und die mit ihren knarrenden Holzdielen und der Aussicht auf die bewaldeten Hügel ein Schmuckstück war. Obwohl Billy bei ihrem Auszug alle persönlichen Dinge mitgenommen hatte und Ursula mittlerweile ihre gesamten Bastel- und Handarbeitssachen hier drinnen verwahrte, fühlte sich Billy in dem Raum noch immer geborgen und glücklich. Für einen winzigen Moment konnte sie hier die Ereignisse des Tages zur Seite schieben, doch kaum hatte sie sich ausgestreckt, kamen die Ängste zurück.
Nachdem das Gespräch mit der Kommissarin beendet war, hatte sie in ihrer Wohnung ein paar Sachen zusammengepackt. Auf der Fahrt nach Freiamt hatte sie versucht, die Teile zu ordnen, zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzusetzen, aber es war ihr nicht gelungen. Wie sie die Dinge auch drehte, alle Fäden liefen zu Paula. Paula würde von der Polizei überprüft werden. Dennoch war Billy entschlossen, herauszufinden, ob Paula die Gründe für Franks Selbstmord kannte. Billy war immer davon ausgegangen, dass die vier Frauen ihr Geheimnis wahrten, doch nun waren zwei von ihnen tot. Billy musste schnellstmöglich mit Tamy sprechen. Sollte Paula die Wahrheit erfahren haben, dann von ihr.
Franks Familie. Billy war sicher gewesen, dass Frank mit niemandem über das Bild geredet hatte, aber sie sah keinen anderen Weg, als selbst mit den Eltern zu sprechen. Und hätte sie sich nicht auf den Nachmittag mit Oren und Ursula gefreut, wäre sie gleich weitergefahren, doch sie hatte sich das für den morgigen Sonntag vorgenommen.
Aber als sie schließlich um die Mittagszeit bei Ursula ankam, war Oren nicht mehr da gewesen. »Mach dir keine Gedanken«, hatte Ursula getröstet, die hin und weg von ihrem Enkel war. »Wir haben gemeinsam gefrühstückt, aber er sagte, dass er noch einiges erledigen muss. Er hat versprochen, sich zu melden.«
Obwohl sie verstehen konnte, dass Oren Zeit für sich brauchte, war seine Abwesenheit wie ein Faustschlag in ihren Magen gewesen.
Der Nachmittag mit ihrer Mutter war angenehm und tröstlich gewesen, doch nun lag sie mit pochendem Herzen auf dem Rücken und ärgerte sich darüber, dass sie Oren nicht einmal nach seiner Telefonnummer gefragt hatte. Ursula hatte erzählt, dass er alles über Billy wissen wollte. Über ihre Freunde, ihre Hobbys und die Arbeit. »Es ist eindeutig, dass er sich genauso nach dir sehnt wie du nach ihm«, hatte Ursula sein Interesse interpretiert, aber Billy dachte eher an Orens aggressiven Mitbewohner. Es beunruhigte sie, nicht zu wissen, wie es ihm ging. Es beunruhigte sie mehr als die quälenden Fragen nach Clarissa und Paula. Sie schloss die Augen, atmete den Geruch von Weichspüler ein, der ihre Nase kitzelte, und versuchte, langsam zu atmen. Als ihr Handy auf dem Nachttisch klingelte, zuckte sie zusammen. Rasch
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