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Schattenbrut (German Edition)

Schattenbrut (German Edition)

Titel: Schattenbrut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Seider
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wäre, würde sie ihn zauberhaft finden. Sein sensibles Wesen war ungewöhnlich für sein Alter, und seine Augen strahlten trotz aller Verschlossenheit eine Wärme aus, welche die jungen Mädchen sicherlich um den Schlaf brachte. Es war ein gänzlich unbekanntes Glück, das sie empfand, wenn es um Oren ging. Vielleicht war es das, was jemanden zu einem Familienmenschen machte, sinnierte sie, während sie auf der A5 Richtung Norden brauste. Billy hatte nie eine Familie gewollt. Noch einmal Kinder zu bekommen, wäre ihr wie Verrat an dem Kind erschienen, das sie damals hergegeben hatte, und auch das war ein Grund, warum ihre Ehe zerbrochen war. Einer von vielen. Aber jetzt schien es, als würde alles neben Oren an Bedeutung verlieren.
    Sie musste sich zwingen, ihre Gedanken auf ihr Vorhaben zu richten. Gestern Abend noch hatte sie im Internet nach Franks Familie gesucht, und sie war erstaunt gewesen, wie einfach es war. In Bad Bergzabern gab es nur einen Eintrag unter dem Namen >Himmel<, und Billy meinte sich zu erinnern, in welcher Ecke der Stadt die Straße lag. >Almut Himmel<, kein männlicher Name stand dabei.
    Auch wenn Billy nie bei Frank gewesen war, kannte sie die hügelige Wohngegend, die sich in die steilen Pfälzer Weinberge schmiegte. Die Digitalanzeige ihres Autos zeigte 09:58 Uhr, als sie vor dem düster wirkenden Haus parkte. Es war das Mittlere von drei aneinander gebauten, identischen Reihenhäusern, und nur der ungepflegte Zustand unterschied es von den Nachbarbauten. Das schwarz schimmernde Dach war so tief gezogen, dass es die Fenster im Schatten verbarg, der steinerne Weg, der zur Haustür führte, war bedeckt mit Laub, und an der Häuserwand blätterte der Putz. Sie wollte gerade auf den rostigen Klingelknopf drücken, als sie näher kommende Schritte hörte. Sie wandte ihren Kopf und hielt inne, als sie die vertraute Gestalt in den Vorgarten einbiegen sah. Die Frau trug eine braune Strickjacke, die ihr bis zu den Knien reichte. Ihr schlammbraunes Haar war nach hinten gebunden. Als die Frau Billy entdeckte, riss sie erschrocken die Augen auf und wich einen Schritt zurück. Billy drehte sich vollständig um und lief langsam die Treppe hinunter auf die Frau zu, die innehielt, als hätte sie einen Geist gesehen. Ungefähr drei Meter vor der Frau blieb Billy stehen und stemmte die Hände auf die Hüften.
    »Hallo Tamy«, sagte sie mit gerunzelter Stirn.

15.
     
    Tamy starrte sie an und öffnete ihren Mund wie eine Kaulquappe, die nach Luft schnappt.
    Billy gab ihr einige Sekunden, bis sie ihr die unvermeidliche Frage stellte: »Was tust du hier?«
    Wiederholt schnappte Tamy nach Luft und stemmte ebenfalls die Hände in die Hüften, was bei ihr aussah wie bei einem trotzigen Kleinkind. »Und was tust du hier?«
    »Ich möchte mit Franks Familie sprechen.«
    »Was willst du von Frau Himmel?«, gab Tamy schrill zurück.
    »Ich will wissen, was sie über Franks Tod weiß.«
    »Bist du wahnsinnig?« Tamy lief rot an. »Sie weiß nichts darüber, sonst hätten wir das damals erfahren. Wenn wir sie darauf ansprechen, wird sie misstrauisch.«
    »Ich weiß, welche Fragen ich stellen muss. Aber jetzt bist du dran, was willst du hier?«
    Tamy neigte ihren Kopf und schürzte die Lippen, als würde sie überlegen. Dann strafften sich ihre Schultern. »Ich will sehen, wie es Franks Mutter geht, nachdem ich auf Julias Beerdigung an alles erinnert worden bin.«
    »Du hast Kontakt zu Franks Mutter?«
    »Nein. Ich war noch nie zuvor hier.«
    Billy spürte die Wut in ihrem Bauch erwachen. »Lüg nicht, Tamy«, sagte sie mit gefährlicher Ruhe und Tamy ging noch einen Schritt nach hinten.
    »War die Polizei bei dir?«, hakte sie nach.
    »Polizei?« Tamy schien ahnungslos und Billy entschied, mit offenen Karten zu spielen. Tamy würde es ohnehin bald erfahren.
    »Soll ich dir sagen, warum ich hier bin?«
    Tamy blieb stumm und sah Billy dabei an, als erwarte sie eine Strafe.
    »Clarissa wurde vorgestern ermordet.«
    Sie registrierte mit dunkler Befriedigung, wie Tamys ohnehin fahle Gesichtsfarbe einem Leichengrau wich. »Sie wurde in ihrem Auto erdrosselt und neben ihr lag, fein säuberlich mit einem Computer getippt, die wahre Geschichte von mir und Paula.« Sie machte eine Pause, um ihren Worten Gewicht zu verleihen. Mit einer harten Bewegung schlug Tamy die Hände vor ihren Mund, stieß einen spitzen Schrei aus und biss in ihre Hand. »Das ist nicht wahr«, wimmerte sie wie ein Welpe, ohne die Hand aus ihrem Mund zu

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