Schattenbrut (German Edition)
Einzige, die diese Prozedur über sich ergehen lassen muss?«
»Nein«, gab Wenberg zurück.
»Und natürlich dürfen Sie mir nicht sagen, wer die anderen Personen sind.«
Wenberg lachte entschuldigend. »Richtig. Aber machen Sie sich keine Sorgen.« Sie drehte sich zu der anderen Frau um, die noch immer stumm auf ihrem Stuhl saß, und nickte ihr zu. Die Frau stand auf und verließ mit einem kurzen Gruß den Raum.
»Das wäre es, Frau Thalheimer.«
»Darf ich noch eine Frage stellen?«
Wenberg lachte wieder. »Fragen dürfen Sie alles.«
Ihr Herz flatterte. »Wer ist dieser Oren Albrecht, nach dem mich Hauptkommissar Eggert fragte?«
Wenberg wandte ihren Körper Billy zu, sodass sich die Frauen direkt gegenüberstanden. »Wir hatten gehofft, dass Sie uns das sagen können.«
Billy schüttelte stumm den Kopf.
»Falls Sie Informationen haben, dürfen Sie diese nicht zurückhalten. Es geht hier um einen Mord.«
»Ich weiß.« Billy senkte die Augen. »Ich will selbst, dass die Wahrheit herauskommt.« Sie sah Wenberg wieder an. »Und wenn es Verdächtige gibt, dann wüsste ich das gerne.«
»Im Moment sind Sie unsere Hauptverdächtige«, sagte Wenberg und Billy fühlte die Erleichterung durch ihren Körper fluten. Besser sie als Oren. Sie lächelte. »Ich war es nicht.«
Die Kommissarin fuhr sich mit der Hand durch ihr helles Haar. »Nennen Sie es weibliche Intuition, aber ich vertraue Ihnen, Frau Thalheimer. Doch mein Kollege ist anderer Meinung, und mir gehen langsam die Argumente aus.«
»Was meinen Sie damit?«
»Alle Fäden in diesem Fall laufen zu Ihnen, und ständig kommt etwas Neues. Die Sache mit dem Auto fiel uns erst gestern ein und sie gibt uns zu denken.«
»Sie meinen den VW Polo?«
»Ja. Es war Zufall, dass wir uns daran erinnert haben.« Ihre hellbraunen Augen musterten Billy prüfend. Billy versuchte es erneut.
»Was ist mit dem Auto?«
»Eine Zeugin sah einen Polo auf der Raststätte, auf der Frau Puhlmann erdrosselt wurde.« Sie rieb mit dem Zeigefinger über ihr Kinn.
»Sind Sie sicher, dass es der Polo ist, den Sie suchen? Ich meine, haben Sie auf das Kennzeichen geachtet?«
»Nein.« Wenberg lächelte schwach. »Machen Sie sich keine Gedanken. Wenn Sie uns die Wahrheit sagen, kann Ihnen nichts passieren.« Sie öffnete die Tür und trat zur Seite, um Billy hinauszulassen.
23.
An dem schäbigen Kiosk in der Nähe der Kripo kaufte sie sich eine Schachtel Lucky Strike und ein Feuerzeug und funkelte die beiden Männer, die mit Bierflaschen am Verkaufstresen standen und sie ungeniert musterten, mit verächtlichen Augen an. Dann fuhr sie bis zu der nahe gelegenen Elz, stieg aus und lief ein Stück den Damm entlang bis zu einer Bank. Sie setzte sich, zündete mit zitternden Fingern eine Zigarette an und zog den scharfen Rauch tief in ihre Lungen. Augenblicklich fühlte sie, wie sich das randalierende Bienenvolk in ihrer Brust beruhigte. Sie fragte sich, wie sie es mehr als ein Jahr lang ohne Nikotin ausgehalten hatte und versuchte, sich zu konzentrieren.
Verdammt, was hatte Oren mit der Sache zu tun? Was hatte er mit der Polizei zu tun? Sein Anruf vor zwei Tagen. Oren musste gewusst haben, dass die Polizei nach ihm fragen würde. Doch Wenberg hatte gesagt, dass Billy verdächtig war. Vielleicht war sein Name bei einem anderen Fall aufgetaucht und man hatte nur durch das Auto einen Zusammenhang festgestellt. Billy dachte wieder an das Hämatom an Clarissas Hand.
An Orens blutige Nase.
Es ergab keinen Sinn. Mit der freien Hand zog sie ihr Handy heraus und drückte auf Wahlwiederholung. Wieder die Automatenstimme. Was hatte Oren getan? Gierig rauchte sie ihre Zigarette zu Ende, rannte zu ihrem Auto und fuhr zurück zur Kanzlei. Es war bereits Mittagszeit und so schaffte sie es, unbemerkt den Ordner von Oren herauszuziehen und einen Blick auf die Adresse zu werfen.
Dann fuhr sie die dreihundert Meter bis in die Karl-Friedrich-Straße. Ein heruntergekommener Altbau, nicht weit von der Kripo entfernt. Sie studierte die Klingelschilder und sah Orens Nachnamen zusammen mit zwei weiteren Namen. Sie klingelte und sah sich unbehaglich um. Dies hier war mit Abstand die tristeste Gegend von Emmendingen.
Die Tür brummte und sie betrat das Treppenhaus. Es roch nach kaltem Nikotin und Kohl. In der ersten Etage ging eine Wohnungstür auf und Billy lief die wenigen Stufen hinauf. Eine magere, junge Frau stand auf der Schwelle. Sie trug nur ein kariertes Männerhemd, das ihr bis zu den
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