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Schattenbrut (German Edition)

Schattenbrut (German Edition)

Titel: Schattenbrut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Seider
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Haus lag im Dunklen, als sie den Motor startete. Während sie die kurvenreiche Landsstraße durch den Wald fuhr, zog sie mit ihrer rechten Hand das Handy aus der Handtasche und legte es auf den Beifahrersitz. Sie glaubte nicht mehr daran, dass sich Oren melden würde, aber falls er es doch tat, wollte sie das Klingeln nicht überhören. 
    Der gestrige Nachmittag mit Ursula und Tamy war erstaunlich angenehm gewesen. Sie hatten gemeinsam gekocht, zwei Flaschen Wein getrunken und später Karten gespielt. Es war ein seltsames Gefühl, Tamy wieder in ihrer Nähe zu haben. Damals hatte sie sich einen Dreck um Tamy geschert. Sie hatte nichts weiter gewollt, als Paula ihre Busenfreundin auszuspannen, und nachdem es ihr gelungen war, hatte sie Tamy dafür verachtet, dass es so einfach gewesen war. Doch die hatte sich an Billy festgebissen, und Billy hatte sie gelassen. Insgeheim hatte sie deren Bewunderung sogar genossen.
    Doch Billy hatte gestern gespürt, dass die alte Verachtung nichts weiter war als ein Relikt aus der Vergangenheit. Billy hatte damals die Schuld an Franks Tod alleine bei sich gesucht, und sie war erstaunt, wie erheblich es schmerzte, dass Tamy ebenso gelitten hatte wie sie selbst. Wie sehr sie sich wünschte, dass Tamy endlich ihr Glück fand.
    Ein eigenartiges Gefühl hatte sie gestern ergriffen. Tamy war die einzige Verbindung zu ihrer Jugend. Und diese Verbindung beunruhigte sie nicht mehr. Sie war viel mehr tröstlich. Und plötzlich wollte Billy die Wahrheit nicht mehr nur für sich, sondern auch für Tamy herausfinden.
    Hinter Karlsruhe wechselte sie auf die A65, verließ die Autobahn bei der Ausfahrt Kandel und überquerte nach weiteren zwanzig Minuten die Grenze zu Frankreich. Als sie in Oberhoffen einbog, zeigte die Uhr 8.37. Wenige Meter neben dem Fachwerkgebäude, in dem Paula mit ihrer Familie lebte, führte ein Weg auf die Felder, der gerade breit genug war, um ihn mit einem Auto zu befahren. Sie lenkte den Audi rückwärts in eine Ackermündung und parkte hinter einer freistehenden Weide. Der Eingang zum Haus war von hier gut erkennbar.
    Sie lehnte sich zurück, ohne das Haus aus den Augen zu lassen. Es könnte Stunden dauern, die sie hier verbringen müsste. Sie schaltete das Radio ein. Zu ihrer Überraschung empfing sie sofort den Südwestfunk. Sie starrte auf das Haus und hörte dabei einen alten Hit der Stones. Hinter der Eingangstür mit Milchglaselementen brannte Licht, aber die Fenster, die zur Straße hinaus zeigten, lagen im Dunkeln. Sie war erst seit vier Minuten hier, und ihr war bereits schrecklich langweilig. Spontan griff sie in ihr Handschuhfach, holte die Schachtel Lucky Strike raus und zündete sich eine Zigarette an. Der Qualm, der sich im Inneren des Wagens ausbreitete, erinnerte sie an ihren eigenen Kopf. Ein dichter Nebel, der nichts enthielt als einzelne Bilderfetzen. Puzzleteilchen, die sie nicht zusammenfügen konnte. Bilder von Oren, durchzogen von der Wut auf Paula, Clarissas leblosem Körper, der mit blau angelaufenem Gesicht in einem Auto lag, der saure Geruch, der von Kommissar Eggert ausging, die Verachtung in dessen Augen. Sie rieb sich die hämmernden Schläfen und starrte weiter auf das Haus, während sie ihre Zigarette fertig rauchte. Es dauerte nicht lange, bis es im Auto kalt wurde. Sie zog ihre Beine an ihren Körper und schlang die Arme um die Knie.
    Um 10.04 Uhr hielt ein alter Peugeot vor dem Haus. Schnell stellte Billy ihre inzwischen schmerzenden Beine auf den Boden und richtete sich auf. Eine ältere Frau stieg aus dem Auto, lief zu der Tür und schloss auf. Billy erkannte Paulas Schwiegermutter. Sie ließ ihre Schultern kreisen und wartete. Es dauerte weitere zwanzig Minuten, bis Paula hinauskam. Über ihrer Schulter trug sie eine Sporttasche, die nicht zu ihren Lederstiefeln und den elegant hochgesteckten Haaren passte. Die Tasche war ihr Alibi für den angeblichen Saunabesuch, ahnte Billy und zog ihren Kopf ein, als könnte sie sich dadurch unsichtbar machen. Doch Paula sah nicht in ihre Richtung. Mit einer geschmeidigen Bewegung stieg sie in ihren Wagen und lenkte ihn aus der Einfahrt. Erst, als sie um die Ecke verschwunden war, startete Billy ihren Motor und fuhr hinterher. An der Kreuzung, die auf die Hauptstraße führte, sah sie sich hektisch um und konnte gerade noch Paulas Wagen um die Ecke verschwinden sehen. Sie bog ebenfalls rechts ab und gab ein wenig Gas, bis sie einen Abstand zu Paula hatte, der groß genug war, um nicht

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