Schattenbrut (German Edition)
weißen Knien reichte. Ihre langen Haare waren hennarot und sie trug Piercings in Augenbrauen, Lippen und Nase.
»Ist Oren Albrecht hier?«, fragte Billy.
»Ich glaube nicht.« Die Frau gähnte.
»Wohnen Sie hier?«
»Ja. Was wollen Sie?«
»Wer lebt noch in dieser Wohnung?«
»Wissen Sie eigentlich, wie spät es ist?«
Billy sah auf ihre Armbanduhr. »Gleich halb eins«, gab sie zurück.
Die Frau rümpfte die Nase. »Gabriel wohnt noch hier. Aber er schläft noch.«
In diesem Moment hörte sie in der Wohnung ein Knarren, kurz darauf erschien ein junger Mann. Seine rötlichen Haare waren schulterlang und standen in alle Richtungen ab, in seiner Nase glänzte ein silberner Stein und er hatte eine braune Decke um seine Schulter geschlungen, die einen Teil seiner knochigen Brust freigab. Er sah Billy müde an.
»Ich wollte zu Oren, aber er scheint nicht da zu sein.«
Die Frau verzog sich in die Wohnung und der Mann zuckte mit den Schultern. »Er hat vorgestern eine Tasche gepackt und sagte, er müsse für einige Tage weg.«
Er haut ab.
»Leben Sie mit ihm zusammen?«
»Ja.« Er kratzte sich verschlafen am Hinterkopf. »Soll ich ihm etwas ausrichten?«
»Ich würde Sie gerne etwas fragen«, begann Billy. »Oren hatte am Freitag eine blutige Nase. Waren Sie das?«
»Oren hatte eine blutige Nase?« Er schien aufrichtig überrascht.
»Ja, und er sagte, es hätte einen Streit mit seinem Mitbewohner gegeben.«
Der Mann schlang die Decke fester um seine Schultern. »Der hat einen Knall.«
»Wohnt noch jemand hier?«
»Wir haben noch ein freies Zimmer, aber das steht zurzeit leer. Außerdem habe ich Oren am Freitag gar nicht gesehen.«
»Wann haben Sie ihn denn zum letzten Mal gesehen?«
Er überlegte kurz. »Das war am Tag davor. Am Donnerstag, als er seine Sachen packte.«
»Und Freitag war er sicher nicht hier?«
»Ich habe keine Ahnung, aber ich war nicht hier. Ich bin Musiker und hatte abends einen Auftritt, für den wir den ganzen Tag geprobt haben.«
Billy zögerte, bevor sie ihre Schultern straffte. »Ich weiß, dass die Polizei in dieser Wohnung Drogen finden würde, wenn sie danach sucht.« Sie machte eine kurze Pause und sah, wie sich seine Augen weiteten. »Allerdings ist es mir völlig egal, womit Sie Ihr Hirn benebeln. Alles, was ich wissen will, ist, wer Oren geschlagen hat.«
Seine Finger klammerten sich an der Decke fest und sie sah die spitzen Knöchel hervortreten.
Er holte tief Luft. »Ich schwöre, dass ich keine Ahnung habe. Wirklich. Fragen Sie im Jazzhaus in Freiburg nach, die können bestätigen, dass ich den ganzen Tag dort war.«
Er beugte sich zu ihr vor. »Es grenzt an ein Wunder, dass ich in dieser Band spielen darf, und ich bin extra von Hamburg hierher gezogen.« Sein Blick war eindringlich. »Dieser Job bedeutet mir alles, und ich will keine Probleme.«
»Ich werde das nachprüfen«, gab Billy zurück und der junge Mann nickte erleichtert.
»Wie ist Ihr Name?«
»Gabriel Reufels.«
Sie würde ihn sich merken und herausfinden, wer gelogen hatte. Sie wünschte sich von Herzen, dass es dieser Gabriel war, aber die Angst, dass es anders war, schnürte ihr die Kehle zu. Während sie in ihr Auto stieg und anfuhr, dachte sie an ihren Traum von der Blume. Noch immer wusste sie nicht, was er bedeuten sollte, aber sie war entschlossen, nie wieder klein beizugeben. Sie würde die Wahrheit herausfinden. Sie würde sich um Oren kümmern. Aber dazu musste er ihr erst mal die Gelegenheit geben. Bis dahin konnte sie nur warten. Und sich um Paula kümmern. Für heute hatte sie genug.
Es war vierzehn Uhr, als Billy in den Schotterweg zu Ursulas Haus einbog. Vor der Terrasse ihrer Mutter parkte ein fremdes Auto. Ein nicht mehr ganz neuer Fiat. Beim Näherkommen warf sie einen Blick auf das Kennzeichen. SÜW, Südliche Weinstraße. Bad Bergzabern.
Sie stellte ihr Auto hinter den fremden Wagen, betrat die Terrasse und öffnete die Tür.
»Ursula?«, rief sie.
Ihre Mutter kam aus der Küche. »Was ist los?«
Billy stieß unwillkürlich ein Lachen aus. »Alles Okay, ich habe mir nur Sorgen gemacht. Wem gehört das Auto?«
»Du wirst dich freuen«, sagte Ursula, während Billy in die Küche ging. Auf der Eckbank saß, mit verlegenem Gesichtsausdruck, Tamy.
»Was soll das?«, fragte Billy scharf.
Tamy zuckte merklich zusammen. »Ich bin nur vorbeigekommen, um mit dir zu reden.«
»Und warum rufst du nicht einfach an?«
»Was ist los mit dir, Billy? Warum fährst du Tamara so
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