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Schattenbrut (German Edition)

Schattenbrut (German Edition)

Titel: Schattenbrut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Seider
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hatte. Aber in diesem Moment störte es Billy nicht.
    »Ich habe dich bewundert. Ich wollte so sein wie du. Ich hätte alles getan, was du mir gesagt hast.«
    »Und ich habe es ausgenutzt.« Billy nahm einen letzten Zug und spürte den heißen Qualm scharf auf ihrer Zunge. Schnell drückte sie die Zigarette aus.
    »Nein«, gab Tamy entschieden zurück. »Es war meine eigene Entscheidung.«
    Tamy starrte an Billy vorbei und hatte plötzlich einen eigenartigen Ausdruck von Entschlossenheit in ihren Augen.
    »Wir alle haben unser Päckchen zu tragen, oder?«, lächelte Billy und hielt Tamy erneut die Flasche hin. »Auf dass wir uns trotzdem nie unterkriegen lassen.«
    Tamy lachte und stieß mit Billy an. Dann verzog sie ihren Mund zu einem Flunsch. »Wer immer Clarissa getötet hat, er läuft immer noch frei herum.«
    »Jetzt, wo Oren weiß, dass ich es weiß, wird er Ruhe geben.«
    »Du bist sicher, dass er dahinter steckt?«
    »Es ist die einzige Möglichkeit. Ich wünsche mir nur, dass ich noch einmal die Gelegenheit bekomme, mit ihm zu sprechen. Ich will ihn verstehen.«
    Tamy schnaubte. »Und dann lebt ihr glücklich als Mutter und Sohn?«
    »Nein. Dafür ist es zu spät.«
    Tamy zog ihre Schulterblätter nach innen und drückte die Knie mit den Armen fest an sich. »Bitte geht zur Polizei, Billy. Nur die können die Wahrheit herausfinden.«
    »Er ist mein Sohn.«
    »Und deshalb darf er morden?« Tamy ließ die Beine herunter und lehnte sich mit den Unterarmen auf den Tisch. »Du bist Anwältin. Du musst doch an das Gesetz glauben. Meinst du, dass du damit leben kannst, wenn er wieder jemanden umbringt? Vielleicht ist als Nächstes Ursula dran. Vielleicht bin ich es.«
    »Du wiederholst dich«, gab Billy kühl zurück, stand auf und stellte die Flasche in den Korb neben dem alten Kohleherd. Sie spürte die Schwere, die der Alkohol in ihrem Körper erzeugt hatte. »Ich gehe ins Bett.«
    »Billy?«
    »Ja?«
    »Schlaf gut«, erwiderte Tamy und lehnte sich zurück. Billy sah, dass sie kaum merklich zitterte. Sie hätte gerne etwas Tröstliches gesagt, aber ihr fiel nichts ein. »Du auch. Soll ich es wieder dunkel machen?«
    »Ja bitte.«
    Billy knipste das Licht aus. Leise ging sie in ihr Zimmer, zog sich aus und legte sich unter die Decke. Sie versuchte, einen Plan für den folgenden Tag zu machen. Das Einzige, was zählte, war Oren zu finden. Sie wollte ihn so oft aufsuchen, bis er sich endlich auf ein Gespräch mit ihr einließ. Doch sie hatte keine Ahnung, wo sie ihn suchen sollte. Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, war sie bereits in einen tiefen, traumlosen Schlaf gefallen.

29.
     
    Ich streife mir die dünnen Lederhandschuhe ab, stopfe sie in meine Jackentasche und hauche mehrfach in die Handflächen. Die nächtlichen Temperaturen liegen nur noch knapp über dem Nullpunkt. Der kalte Mond taucht die Tannen in ein milchiges Licht. Obwohl ich den Wind in meinen Haaren fühle, stehen die Baumwipfel völlig regungslos. Gerade, als ich über diesen seltsamen Umstand nachdenken will, sehe ich Scheinwerfer, kurz darauf das Geräusch eines Dieselmotors. Ich hauche ein letztes Mal in meine Handflächen und ziehe die Handschuhe wieder über. Das Auto hält an. Er steigt aus und sieht sich um. Sein Blick verharrt auf mir, er kommt auf mich zu. Zwei Meter vor mir bleibt er stehen, seine Hände sind in den Ärmeln des Mantels versteckt. Seine Gesichtszüge sind in der Finsternis nur verschwommene Konturen.
    » Warum muss ich hierher kommen?« Er bemüht sich um einen trotzigen Tonfall, doch ich höre das Zittern in seiner Stimme.
    » Du hast mit ihr gesprochen.«
    Er zuckt zusammen. »Woher weißt du es?«
    » Du fragst zu viel.«
    » Ich konnte nichts dafür, sie hat mich verfolgt. Sei froh, dass ich sie rechtzeitig entdeckt habe.«
    Ich soll froh sein. Was ist er doch für ein Narr. »Was hast du ihr gesagt?«
    » Gar nichts.«
    » Lüg nicht!«
    » Ich lüge nicht. Ich habe ihr eine verpasst und bin abgehauen.« Er versucht, hart zu klingen, aber seine zusammengezogenen Schultern verraten ihn.
    » Und davor? Was hast du ihr davor gesagt?«
    » Nichts. Ich habe mich an alles gehalten, was du mir gesagt hast.«
    »Das stimmt nicht. Ich sagte, du solltest dich ein letztes Mal mit Paula treffen und zusehen, dass du abhaust, wenn Billy auftaucht.«
    »Ich konnte nichts dafür«, jammert er.
    »Du hast versagt.«
    Er strafft die Schultern. »Ich habe den Kontakt zu Billy gesucht, wie du es verlangt hast. Dann hast du

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