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Schattenbrut (German Edition)

Schattenbrut (German Edition)

Titel: Schattenbrut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Seider
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hinausging. Sie drehte sich auf den Rücken und starrte im Dunkeln an die Decke. Es war, als hätte sie einen wichtigen Punkt übersehen. Sie griff nach dem Schalter und stellte die Lampe auf ihrem Nachttisch an. Das dumpfe Licht hatte etwas Tröstliches. Billy richtete sich auf und schwang ihre Beine aus dem Bett. Sie schlüpfte in die Kleider, die sie zuvor sorglos auf den Boden geworfen hatte, und schlich leise nach unten. Aus Ursulas Zimmer hörte sie leichtes Schnarchen, sonst war alles ruhig.
    In der Küche knipste sie das Licht an und erschrak. Tamy saß mit angewinkelten Beinen auf der Eckbank. Sie hob ihren Kopf und lächelte entschuldigend.
    »Ich wollte nachdenken«, erklärte Tamy.
    Billys erster Gedanke war, so zu tun, als hätte sie nur ein Glas Wasser gewollt. Sie bemerkte die violetten Ränder unter Tamys Augen und ging zum Kühlschrank. »Willst du ein Bier?«
    »Gerne.«
    Sie öffnete zwei Flaschen und stellte sie auf den Tisch. Dann setzte sie sich auf einen Stuhl, verschränkte ihre Beine zu einem Schneidersitz und hielt Tamy die Flasche zum Anstoßen hin. »Tannenzäpfle. Ursulas einziges Laster.«
    »Auf Clarissa«, sagte Tamy. Ihr Lächeln erreichte die Augen nicht.
    »Nein, auf dich.«
    Tamy errötete. »Warum?«, fragte sie und nahm einen großen Schluck.
    »Weil du das alles aushalten musst. Und weil du das damals für mich getan hast.«
    »Meinst du das Bild?«
    Billy nickte. »Warte«, sagte sie, stand auf und holte aus ihrer Handtasche die Zigaretten. Sie stellte einen Aschenbecher auf den Tisch und setzte sich wieder.
    »Willst du eine?«
    »Ich rauche nicht.«
    »Ich auch nicht. Nicht mehr. Aber heute ist ein besonderer Tag.« Billy sah Tamys Grinsen, zündete zwei Zigaretten an und reichte eine davon über den Tisch. Nachdenklich nahm sie einen tiefen Zug.
    »Ich war dumm«, sagte Billy und beobachtete die grauen Schwaden, die sich um die Deckenlampe schlängelten.
    »Wie meinst du das?«
    »Ich habe euch da alle mit reingezogen. Ich wollte Paula ärgern und jetzt müsst ihr dafür büßen.«
    »Lass gut sein, Billy. Es war unsere eigene Entscheidung. Und außerdem hat Clarissa sich nicht reinziehen lassen.«
    »Stimmt. Clarissa wurde einfach hineingerissen.« Billy trank einen Schluck aus der Flasche und stellte sie auf den Tisch.
    »Ich frage mich immer noch, was Clarissa mit dem alten Bild von dir und Frank wollte. Für wen sie es hat entwickeln lassen.«
    »Für diese Frau aus Clarissas Vergangenheit, der Clarissa meint, etwas zu schulden.« Billy ballte eine Faust und hämmerte damit gegen ihr Kinn.
    »Paula ist für dich nicht mehr verdächtig, oder?«, fragte Tamy.
    »Nein. Sie ist genauso in die Sache geschlittert wie wir.«
    »Franks Mutter«, überlegte Tamy laut. »Oren kannte Franks Namen, und es wird leicht für ihn gewesen sein, Almut Himmel zu kontaktieren.«
    »Aber warum hätte sich dann Frau Himmel an Clarissa wenden sollen? Die hatte gar nichts mit der Sache zu tun.«
    »Stimmt. Außerdem glaube ich nicht, dass Franks Mutter gelogen hat. Sie schien keine Ahnung zu haben. Katja.« Tamy zog ungeschickt an ihrer Zigarette und machte ein Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. Mit der Hand fächerte sie den Qualm vor ihrem Gesicht weg. »Ich glaube niemandem mehr.« Sie schlang die Arme um ihre Beine und legte ihr Kinn auf die Knie. »Ich bewundere dich, Billy. Du verlierst alles und bleibst dennoch stark. Du hast dich nicht verändert.«
    »Quatsch. Wir haben damals alle einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, wir haben alle geschwiegen und müssen die Konsequenzen tragen. Wir leben alle mit unseren Ängsten.«
    »Wovor hast du Angst?«, fragte Tamy und blickte Billy neugierig an.
    »Ich habe Angst davor, das Falsche zu tun. Damals dachte ich, wir seien unbesiegbar.« Billy drehte die Zigarette zwischen Zeigefinger und Daumen. »Keiner von uns konnte ahnen, dass Frank so schwach war, keiner wollte, dass er stirbt. Und damit können wir unser Gewissen immer wieder beruhigen. Aber die Wahrheit ist doch, dass uns bewusst war, dass wir das Falsche tun.«
    »Es ist so lange her«, presste Tamy mit gequälter Stimme hervor.
    »Aber manche Fehler stellen Weichen im Leben.« Billy lachte freudlos. »Wie Eva im Paradies. Der Wunsch nach Macht war größer als der Wunsch nach Frieden.« Sie zog an ihrer Zigarette. »Was ist es, was dir den Frieden raubt?«
    Tamys Gesicht mit der hängenden Unterlippe zeigte wieder jenen leidvollen Ausdruck, den sie früher verachtet

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