Schattenbrut (German Edition)
gesagt, dass ich Paula noch einmal treffen muss, bevor ich frei bin. Und jetzt? Hältst du dich wieder nicht an dein Versprechen?«
» Hast du den Schlüssel abgegeben?«, frage ich statt einer Antwort.
» Ja. Ich habe meine Abmachung erfüllt. Nun bist du dran.«
Ich lache. »Und was erwartest du von mir?«
» Du sollst mich in Ruhe lassen.«
» Natürlich tue ich das.«
» Sie denkt, Clarissa hätte mich geschlagen. Sie denkt, ich hätte ihre Freundin umgebracht. Ist es das, was du willst? Soll ich für den Mord bestraft werden?«
» Ich habe doch gesagt, dass ich dich in Ruhe lasse, sobald alles erledigt ist. Du kannst dich auf mich verlassen.«
Er zappelt wie eine Marionette und ahnt noch immer nicht, dass ich die Fäden in der Hand habe. »Was ist mit Paula?«, fragt er leise.
» Paula wird die Konsequenzen für ihr Handeln tragen müssen.«
» Bitte!«
» Was bitte?« Obwohl ich mich amüsiere, bleibt mein Gesicht hart.
» Sie liebt ihren Mann.«
» Warum hat sie sich dann mit dir eingelassen?«
» Sie bereut es. Und ich mag sie.«
Es beginnt, Spaß zu machen. »Du magst jeden, oder? Du magst auch Billy. Und der einzige Grund, warum du die Frauen magst, ist, weil sie dich mögen. Ganz anders als deine Mutter. Ist es nicht so? Du bist süchtig danach, geliebt zu werden.«
» Das stimmt nicht. Die Einzige, die ich wirklich gemocht habe, warst du. Ich habe sogar geglaubt, dass ich dich liebe. Ich habe dir vertraut.«
Dummes Kind. »Dann kannst du ja dazu stehen, was du mit Paula getan hast. Das ist das Letzte, was ich verlange.«
Ich wünschte, ich könnte sein Gesicht besser erkennen, aber ich weiß, dass es voll von Angst ist.
» Bitte.« Er klingt wie eine Schallplatte mit einem Sprung.
» Was wird deine Mutter über dich denken, wenn sie erfährt, dass du schuld bist? Dass ihr geliebter Sohn nur deshalb hinausgeschwommen ist, um dich zu beschützen? Und dass du deinen eigenen Arsch gerettet hast, als er einen Krampf bekam? Was wird sie denken, wenn sie erfährt, dass du in diesem Moment wolltest, dass er stirbt? Damit du endlich die Liebe bekommst, die du verdient hast?«
Ich kann seinen Schweiß riechen.
» Der letzte Funke ihrer Mutterliebe wird erlöschen. Ist Paula dir das wert? Ist dir Paulas verlogene Ehe das wert?«
» Es geht dir doch gar nicht um Paula.«
» Sie oder du.«
Er zögert. Er zögert tatsächlich. Er hat mehr Stärke, als ich dachte. Ich sehe, wie seine Schultern herunter sinken.
» Ist gut.«
» Was ist gut?«
» Ich halte mich an die Abmachung.« Seine Stimme ist belegt.
» Gut.«
Er lässt seine Schultern kreisen.
» Du tust das Richtige«, sage ich.
Er verschränkt die Arme und schaukelt mit seinem Oberkörper hin und her. Er will weg von hier. Aber er wartet auf mein Kommando. Ich mache einen Schritt auf ihn zu und lege eine Hand auf seinen Rücken. »Lass uns gehen.« Mit der anderen Hand greife ich in meine Jackentasche.
Langsam dreht er sich um. Mit einer flinken Bewegung werfe ich den Draht über seinen Kopf und ziehe. Seine Arme schlagen nach hinten aus und treffen mich im Bauch.
Damit habe ich gerechnet. Ich trotze dem Schmerz und bleibe aufrecht. Ein Gurgeln dringt aus seiner Kehle. Ich fasse den Draht mit beiden Händen und ziehe mit aller Kraft. Seine Hände wandern zu seinem Hals, er versucht, den Draht zu greifen. Dieser Narr. Sein Körper zuckt und ich warte. Es ist lästig zu warten, doch ich weiß, dass es nicht lange dauert.
Plötzlich wird sein Körper schwer. Seine Arme sinken herunter, seine Knie geben nach. Ich halte den Draht fest umkrallt, lasse seinen Kopf baumeln. Unwillkürlich muss ich an Billy denken. Immer war sie in meinem Herzen, und so habe ich mich niemals alleine gefühlt. Doch nun erkenne ich, dass sie nicht besser ist als der Rest. Sie ist sogar schlimmer, denn sie verleugnet die ihr innewohnende Stärke. Sie leugnet die Wahrheit und weigert sich, Opfer zu bringen. Jeder wird anhand der Erkenntnis gerichtet, die ihm zuteil wurde, und Billy gehörte zu den ganz Großen.
Er wird zu schwer und ich lasse los. Wie ein Sack sinkt er ins lehmige Gras. Ich betrachte ihn einen Moment lang, ohne ihn wirklich zu sehen. Auch er hatte Kraft, doch er entschied sich für den einfachen Weg. Das ist gut. Er hätte ohnehin sterben müssen, doch es ist leichter, einen Feigling zu töten.
Ich bin heute fähig, ohne Billy zu leben. Sie hat ihren Zweck erfüllt, sie hat mir meinen Weg gezeigt. Ich brauche sie nicht mehr. Sie
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