Schattendämonen 3 - Nybbas Blut - Benkau, J: Schattendämonen 3 - Nybbas Blut
auf die Straße, kehrten zu rück in ihre Häuser, nur um kurz darauf wieder hin auszurennen , bepackt mit Taschen, in die sie ihre wichtigste Habe geworfen hatten, sowie Transport körben, in denen Katzen miauten. Vogelkäfige wur den in die Autos geladen. Von einer nahen Grund schule ertönte ein Hu p konzert , verursacht von er schreckten Eltern, die ihre Kinder abholen wollten.
Alles meinetwegen, dachte Joana.
Das Schlimmste waren die Sirenen. Von überall und in unterschiedlichen Tönen jaulten sie ihr hysterisch machendes „Gefahr! Gefahr!“, als wäre den Leuten das nicht auch ohne das entnervende Geräusch nur zu bewusst. Hin und wieder war ein Schreien lauter, sel ten das entfernte Grollen, das klang, als würde ein Riese nach und nach die Stadt fressen. Immer wieder huschten Joanas Blicke zu den nahen Hochhaus blocks. Rauch stieg zwischen ihnen auf und die turm artigen Gebäude wogten wie Bäume im Wind. Wo mochte Mama sein? Hoffentlich im Hotel, das war ein kompaktes, breites Gebäude mit nur sechs Stock werken in der Nähe eines Parks. Wenn es irgendwo in Manhattan sicher war, dann bestimmt dort.
Joana hämmerte auf ihr Handy ein, doch zunächst verfehlten ihre bebenden Finger die Tasten und dann brach das Funknetz zusammen. In ihrem Kopf wurde es taub, jegliche Gedanken machten sich auf und da von, und alles, was noch funktionierte, war das Wis sen, dass sie eine Adresse hatte und damit eine win zige Chance, in diese Schlacht einzugreifen.
„Ich muss nach Harlem!“, rief sie und wandte sich an einen der Cops, die inzwischen von Haus zu Haus liefen und sich eine n Überblick verschafften, wo drin gende Hilfe nötig war. Wohin waren Patricia und Abraham verschwunden? Ein Löschzug bretterte schwankend durch die Straße und übertönte mit sei nem Sirenenkreischen alles andere. Und immer noch bebte die Erde. „Bitte, Sir“, rief Joana. „In welche Richtung liegt Harlem, ich muss da dringend hin!“
„Schulldigung“, war alles, was sie als Antwort be kam. Der Polizist stürmte an ihr vorbei und trotz all der Menschen, die sich auf der Straße versammelten, die Hände vor den Mund geschlagen, die Kinder eng an sich gepresst, fühlte sich Joana so allein, wie noch nie in ihrem Leben. Sie ignorierte das Donnergrollen aus Richtung Küste, das sich aufbaute, während das Beben langsam nachließ, und stapfte los. Zunächst einfach wieder den Weg zurück, den sie gekommen war, irgendwo würde sie sich schon orientieren kön nen. Sie ging breitbeinig, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, und mit vors Gesicht gezogenen, ange spannten Fäusten, falls Trümmer oder Äste auf sie zuflogen.
„Harlem!“, sagte sie sich, immer wieder und wieder und kam sich vor wie ein Zombie.
~*~
Natasha wartete wortlos, was ihr schwerfiel . Am liebs ten hätte sie sich wie ihre Katzen irgendwo verkro chen und abgewartet, bis sich die Erde wieder beru higt hatte. Die Herrin hatte ihr den Rücken zuge wandt und starrte zum Fenster hinaus. In dieser Stim mung bedeuten ihr Förmlichkeiten im Gegensatz zu anderen Momenten extrem viel und Natasha durfte sich keinen Fehler erlauben. Der Fürst war nun eine größere Naturgewalt als das Erdbeben. Neben der Herrin fiel ein Gemälde von der Wand und zerbrach. Natasha biss die Zähne zusammen; es handelte sich um einen nur in Kennerkreisen bekannten frühen Van Goch – millionenschwer. Die Herrin zuckte nicht einmal zusammen, ein weiteres Zeichen ihrer Anspan nung, denn für gewöhnlich bedeuteten ihr ihre Samm lerstücke fast so viel wie Natasha ihre Katzen.
„Ich hoffe für dich“, begann die Herrin schließlich mit klarer Stimme zu sprechen, „dass du keine weite ren unangenehmen Neuigkeiten bringst.“
Eine Sekunde fand Natasha diese Aussage zutiefst kränkend. Noch nie hatte sie eine schlechte Nachricht überbringen müssen, dies überließ sie niederem Per sonal. Wie sich heute gezeigt hatte, war ihre Vorsicht nicht unbegründet. Der Dämon, der der Herrin die Nachricht des Leviathans übergeben hatte, befand sich immer noch in der Waffenkammer, dekoriert von drei Schwertern, die erst dann aus seinem Leib ent fernt werden würden, wenn er tot war. Solange man nicht Gewissheit besaß, dass der Luzifer noch Inte resse an einem hatte, galt es, nichts zu riskieren.
Nicht zum ersten Mal wünschte Natasha, die Herrin hätte das Interesse am Nybbas schon lange verloren. Dann wäre sie nicht in der heiklen Situation, seine Botschaft überbringen zu müssen, von der
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