Schattendämonen 3 - Nybbas Blut - Benkau, J: Schattendämonen 3 - Nybbas Blut
bis sie ächzten. Ketten ringe, dick wie Oberschenkel, stöhnten unter der Belastung, während das Ungetüm aus Stahl und Beton sich zu den schauerlichen Tönen wiegte , als würde es einen schwermütigen letzten Blues tanzen. Als sie New Jerseys festen Boden unter den Reifen hatten, ebbte das Beben bereits ab. Joana hielt auf einem Parkplatz. „Harmloses Nachbeben“, hörte sie einen Trucker im weißen Unterhemd sagen, den keines der vorausgegangenen Ereignisse zu besorgen schien. In aller Ruhe pinkelte der Mann an einen Busch, kletterte in seine Fahrerkabine zu verblichenen Pin-Up-Postern zurück, nahm eine Tupperdose vom Beifahrersitz und packte ein paar Sandwiches aus.
„Ich geh auch mal für kleine Mädchen“, meinte Mary und verschwand hinter einem Busch, eine Hand auf den Mund und die andere auf ihren Bauch gepresst.
Nicholas tupfte sich das Blut aus dem Gesicht. Joana wollte ihm helfen, aber er wandte den Kopf ein wenig ab. Es gab ihr einen kleinen Stich, aber sie sagte sich, dass er nur etwas Ruhe brauchte. Später würden sie reden und dann würden sich auch die Spannungen auflösen, die sie zu spüren glaubte. Sicher half ein wenig Zeit. Sie ging über den Parkplatz zu einer Stelle, die ihr einen freien Blick über den Hudson River erlaubte. Ihr Plan war aufgegangen, man hatte die Straße gesperrt. Kein Wagen fuhr mehr. Still und ver w ai st wirkte die Brücke. Wie ein Spinnennetz wiegte sie sich über dem Fluss sanft mal zur Rechten und dann zur Linken. Ein gutes Motiv für ein dramatisch düsteres Gemälde. Manhattan jenseits des Flusses schien auf die Entfernung zur Geisterstadt geworden zu sein. Der Himmel cha n gierte in Schwarz, Grau und Burgunderrot. Es sah aus, als würden sie am Horizont Unschuldige auf gewaltigen Scheiterhaufen verbren nen . Der Rauch gelangte bis über den Fluss und ätzte in Joanas Augen , bis sie tränten.
„Was passiert da draußen?“, fragte Nicholas, als sie sich wieder ins Auto setzte.
Joana hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. Er musste noch nicht erfahren, wie weitreichend die Folgen ihres Kampfes geworden waren. Nicht, ehe sie sich ein wenig ausgeruht hatten. „Ich weiß es nicht.“
Als sie den Motor startete und das Radio ansprang, schaltete sie es ab.
Sie wechselten von der Interstate 95 auf die 80, ein fach nur, weil man auf dieser schnurgeradeaus fahren konnte und niemand von ihnen eine bessere Richtung wusste. Am Abend checkten sie im verwahrlos t esten Motel ein, das Pennsylvania zu bieten hatte; einer Ka schemme, in der man keine Fragen stellte, weil man auf jeden zahlenden Gast angewiesen war. Nicholas schaffte es, bis zur Rezeption zu gehen und verzwei felte fast am Versuch, sich eine Dose Cola aus dem Automaten zu ziehen, weil seine Hände zitterten und er den Vierteldollar nur unter Mühe in den Schlitz be kam. Mary gestikulierte Joana, ob sie ihm nicht helfen wollte, aber sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass ihn das beschämt hätte.
Sie bestellte zwei Zimmer. Die Frau hinter dem Tre sen, eine ältliche, dicke Mexikanerin mit speckigem Haar und Ölflecken auf der Bluse, wirkte skeptisch.
„So“, murrte sie in bruchstückhaftem Englisch. „Wenn Mann kotzt, das kost ’ Reinigung.“
Ein Grinsen, das sich bösartig anfühlte, als gehörte es nicht zu ihr, breitete sich auf Joanas Gesicht aus. Die nagende Sorge wandelte sich schlagartig in Wut. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und sie lehnte sich weit über den dreckigen Tresen. „Dieser Mann“, zischte sie leise, „hat gerade eine Naturkatastrophe überstanden, von der Sie in ihren schlimmsten Träu men eine ungefähre Ahnung bekommen. Und auch wenn er momentan nicht so aussieht, glauben Sie mir lieber, dass es unklug wäre, ihn zu beleidigen. ¿ cachái ?“
Die Frau schien mäßig beeindruckt, schob ihr aber einen Schlüssel zu, der ebenso schmierig war wie sie. „Zwei Zimmer. Übern Hof, dritte Haus. Rechts.“
Joana verzichtete auf das Danke.
Die Häuser waren allenfalls als Hütten zu bezeich nen, eine wilde Zusammenstellung aus Pressspanplat ten, Holzlatten und Wellblech, zusammengetackert wie von Kindern gebastelte Laternen. Im Inneren lagen Teppiche übereinander, vermutlich um die Fle cken zu kaschieren. Die Tapeten waren feucht und schienen in den Sechzigern irgendwo von den Wän den gekratzt und hier wieder angeklebt worden zu sein. Als Joana den Lichtschalter betätigte, ging auf seltsame Weise der Fernseher an.
„Wie in Gangsterfilmen“, murmelte
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