Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn
Bou-raiys scheinbar grenzenlosem Optimismus. Was in Jilseponies Augen Bände sprach, schließlich bestätigte es ihr, dass Ohwan sie nicht besonders mochte. Sie hatte ihn oft mit Constance Pemblebury tuscheln sehen, auch wenn sie den Grund für diese Gespräche unter vier Augen nur erraten konnte.
»Diese Entscheidung geht weit über Abt Ohwans Einflussbereich hinaus«, entgegnete Bou-raiy. »Wir bieten der Königin des Bärenreiches eine solche Stellung nicht leichtfertig an. Ich habe ausgiebig mit dem ehrwürdigen Vater Agronguerre, mit Bischof Braumin und mit den Meistern Machuso und Glendenhook, den leitenden Meistern von St. Mere-Abelle, konferiert. Wir machen dieses Angebot nicht unbedacht, Königin Jilseponie. So wie der Bischofsrang unserer Meinung nach dem gemeinsamen Wohl von Kirche, Staat und Volk dient, so wird auch diese zweite Machtbündelung unserer festen Überzeugung nach allen zugute kommen.«
Es war eine Überlegung wert, erkannte Jilseponie, etwas, das man nicht so einfach von der Hand weisen konnte.
Als Fio Bou-raiy Jilseponie an diesem Tag verließ, musste sie über eine Menge nachdenken.
»Dann ist es also wahr?«, fragte Lady Dasslerond ausdruckslos, mit einer Stimme, der keinerlei positive oder negative Reaktion auf die Neuigkeit anzumerken war.
Bradwarden musterte die Herrscherin von Caer’alfar sorgfältig und versuchte irgendeinen Hinweis zu entdecken, wie sie in diesem Punkt empfand. Der Zentaur respektierte Lady Dasslerond und fürchtete sie womöglich mehr als jede andere Kreatur; dabei reichte die zierliche Elfe ihm kaum bis zum Widerrist. Lady Dasslerond konnte eine nützliche und wertvolle Freundin sein, aber eben auch eine tödliche Gegnerin; zumal dem aufmerksamen Bradwarden nicht entgangen war, dass Dasslerond Jilseponie nie sonderlich hatte leiden können und sie außer sich geraten war, als sie erfuhr, dass Elbryan Jilseponie in eines der bestgehüteten Geheimnisse der Touel’alfar eingeweiht hatte: den Bi’nelle dasada.
Und jetzt war diese Frau, die den geheimen Schwerttanz der Elfen beherrschte – der einzige Vorteil, den die zierlichen Touel’alfar gegenüber den größeren und kräftigeren Menschen besaßen –, Königin des in erster Linie von Menschen bewohnten Königreiches. Der Zentaur verstand durchaus, wie aufgewühlt die Herrscherin von Caer’alfar derzeit sein musste.
»Sie ist von ebenso aufrichtigem und ehrlichem Wesen wie Elbryan«, erklärte er. »Genau wie Mather und all die anderen, die Ihr eigenhändig ausgebildet habt, Lady Dasslerond. Ihr fürchtet sie, und ich weiß auch, warum; aber ich sage Euch ganz offen, Ihr täuscht Euch. Niemand auf der Welt ist reineren Herzens als meine Pony.«
»Dann ist es also wahr«, wiederholte Dasslerond. »Die Frau regiert als Königin.«
»So ist es«, erwiderte Bradwarden, woraufhin eine dunkle Wolke über Lady Dassleronds Miene zog.
Vermutlich sah sie bereits eine feierliche Parade der Allhearts, allesamt in prachtvoller Rüstung, aber mit schlanken Degen statt schweren Klingen, auf dem Weg nach Andur’Blough Inninness an sich vorüberziehen, überlegte der Zentaur. Aber warum nur? Diese Frage musste sich Bradwarden ernsthaft stellen. Seines Wissens hatte Pony nicht den geringsten Grund, für die Touel’alfar etwas anderes als aufrichtige Zuneigung zu empfinden.
Natürlich konnte der Zentaur nichts von Lady Dassleronds dunklem Geheimnis namens Aydrian wissen, dem gefährlichen und etwas aus der Art geschlagenen Sohn Jilseponies.
»Er hat es besser weggesteckt, als man erwarten konnte«, sagte König Danube in einer Mischung aus Amüsiertheit und Hilflosigkeit, als Herzog Kalas fast sofort nach Jilseponies Bericht über Meister Bou-raiys Vorschlag aus dem Zimmer stürmte.
Die Königin konnte sich dieser verlegenen Amüsiertheit nur anschließen und schüttelte den Kopf.
»Hast du überhaupt Lust, einen solchen Einfluss in der Kirche auszuüben?«, fragte ihr Gemahl. Sein Ton verriet, dass er sich aufrichtig für ihre Antwort interessierte.
Jilseponie betrachtete ihn voller Dankbarkeit. Er hätte dies nach Gutdünken auf der Stelle ablehnen und eine Verfügung erlassen können, die Jilseponie oder einem anderen Mitglied der königlichen Familie eine formale Einbindung in die Kirche untersagte.
»Ich bin keineswegs überrascht, dass die Kirche deinen Einfluss wünscht«, fuhr Danube fort. »Haben wir nicht den gleichen Kampf um deinen Einfluss in Palmaris geführt?«
»Einen Kampf, der durch
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