Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn
Herzog herrscht im Interesse des Königs«, fiel er ihr korrigierend ins Wort.
»Ich weiß, Ihr habt nur wenig Vertrauen in die Kirche«, fuhr Jilseponie fort, seinen Einwand überhörend und nicht gewillt, sich auf eine Diskussion darüber einzulassen. Schließlich war sie es – und nicht etwa Herzog Kalas oder die Mehrheit am Hofe des Königs –, die davon überzeugt war, dass die Interessen des gemeinen Volkes sich mit denen des Königs deckten. »Außerdem möchte ich Eurer Beurteilung der früheren Ereignisse nicht unbedingt widersprechen. Eins aber möchte ich klarstellen: Die heutige abellikanische Kirche ist nicht mehr die abellikanische Kirche vergangener Jahrzehnte, sondern ein Orden, der sich dem Wohlergehen der Bürgerschaft verschrieben hat – König Danubes Schäfchen, wenn Ihr so wollt.«
Während ihrer kurzen Erklärung betrachtete Herzog Kalas sie mit aller gebotenen Höflichkeit, aber auch jetzt hatte Jilseponie keine Mühe, die mörderische Wut hinter seinen Blicken zu erkennen.
Nun, da ihr Gemahl sich endlich bereit erklärt hatte, der Ernennung zuzustimmen, und in diesem Punkt auch nicht mehr wanken würde, merkte Jilseponie, dass sie diesen Anflug von Verzweiflung durchaus genoss.
Und zwar wieder einmal viel zu sehr; dabei tat es Jilseponie gut zu sehen, wie einer dieser hochnäsigen Adligen mit seiner tief verwurzelten Überzeugung scheiterte, sie seien die Einzigen im ganzen Königreich, die zählten, während man das gemeine Volk nur so weit ruhig zu halten brauchte, dass es nicht offen gegen die Krone rebellierte.
Herzog Kalas musste sich in dieser Angelegenheit geschlagen geben und war sich dessen offensichtlich auch bewusst.
Er sah sich wie auf der Suche nach Unterstützung um, doch sein üblicher Beistand, Constance Pemblebury, eine Frau, die ihre Stimme ganz sicher gegen die Ernennung Braumins erhoben hätte, war, wie so oft in letzter Zeit, an diesem Tag nirgends zu finden. Seit der Hochzeit vor einem Monat hatte sich Constance in Gegenwart des Königs rar gemacht, ja, sie hatte sogar davon gesprochen, des milderen Klimas wegen in die Provinz Yorkey abzureisen.
Jilseponie konnte dies nur hoffen; im Augenblick jedoch bezweifelte sie, dass Constance – oder auch Kalas – die neue Königin so einfach aus ihren prüfenden Blicken entlassen würde.
Jilseponie war gut genug informiert, um diesen kleinen Sieg auszukosten, denn sie war sich von vornherein darüber im Klaren gewesen, dass König Danube sich nur schwerlich überreden lassen würde. Aber auch darüber hatte sie sich nicht den Kopf zerbrochen. Hätte Danube ihrer Bitte ohne einwöchige Diskussionen und Debatten einfach stattgegeben, Jilseponie wäre von ihm enttäuscht gewesen. Sie und ihr Gemahl würden noch oft über das Vorgehen der Krone streiten, daher war es für beide Seiten besser, wenn sie jeden Punkt ausführlich und in aller Offenheit diskutieren konnten, bevor sie einschneidende Maßnahmen beschlossen. In dieser Angelegenheit hatte Jilseponie zu keinem Zeitpunkt auch nur den geringsten Zweifel gehabt. Trotz des zu erwartenden Unbehagens in Ursal war sie überzeugt, dass Abt Braumins Ernennung dem Wohl von Palmaris und den gesamten Nordlanden dienen würde.
Herzog Kalas empfahl sich mit einer knappen Verbeugung und erklärte, er wolle die Pferde für seinen und des Königs Jagdausflug bereitstellen. Jilseponie konnte an jeder seiner Bewegungen unschwer erkennen, dass Herzog Kalas mit ihrer Einschätzung Bischof Braumins nicht einverstanden war.
Irgendwie, und obwohl sie wusste, dass diesem Gedanken eine gewisse Bosheit anhaftete, fand Jilseponie, dass sein Verhalten ihren Sieg noch ein wenig süßer machte.
Kurz darauf entschuldigte sich auch König Danube aus dem Audienzzimmer und übergab die nachmittäglichen Termine in die fähigen Hände seiner Frau. Es mussten aber nur einige kaum strittige Punkte unter unbedeutenderen Adligen verhandelt werden; darunter die Eingabe eines Seidenhändlers, ein aufdringlicher Straßenverkäufer mache ihm die Kunden abspenstig. Danach folgte ein Treffen, dem Jilseponie alles andere als erfreut entgegensah, das aber auf Ersuchen Meister Fio Bou-raiys unter vier Augen stattfinden musste.
»Ich werde noch vor dem Morgengrauen auslaufen«, erklärte der Meister von St. Mere-Abelle, als er das Audienzzimmer betrat, wo er eine erschöpfte Jilseponie antraf, die sich schwer auf die Armlehne ihres Thrones stützte.
»Es gibt Menschen, für die ist diese Art von Streiterei
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