Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn
Blick zu.
»Ich fürchte nein, sofern Ihr Euch Eurer Antwort noch nicht sicher seid«, sagte Braumin. »Steht es mir etwa nicht zu, Euch bei dieser schwierigen Entscheidung mit Rat und Tat zur Seite zu stehen?«
»Als Abt von St. Precious?«, fragte Jilseponie.
»Als Euer Freund«, verbesserte Braumin.
»Dann sprecht auch wie ein Freund mit mir«, verlangte Jilseponie. »Es ist unverkennbar Euer Wunsch, dass ich den Titel Königin annehmen soll. Trotzdem versucht Ihr, immer wieder mit scherzhaften Bemerkungen oder vorsichtigen Anspielungen um den heißen Brei herumzureden.«
Abt Braumin senkte den Blick und seufzte schwer. »Das ist wahr«, gab er zu. »Ich wünsche mir diese Verbindung in der Tat, denn Eure Stimme wird in dieser Verbindung sehr viel mehr Gewicht haben, und das mit sehr viel besseren Möglichkeiten, sowohl die Welt zu einem besseren Ort zu machen, als auch Avelyn und Jojonah zu jenem Status zu verhelfen, den sie völlig zu Recht verdienen. Soweit es mich betrifft, scheinen alle anderen Aufgaben daneben zu verblassen.«
»Aber Ihr seid es nicht, der sein Leben und sein Seelenheil mit dem König teilen muss«, erinnerte ihn Jilseponie, woraufhin sich Braumin seufzend geschlagen gab.
»Es besteht noch eine andere Möglichkeit«, sagte er einen Moment später.
»Ich wollte damit nicht andeuten, dass ich die Absicht habe, Danubes Antrag abzulehnen, so er denn erfolgen sollte«, erinnerte ihn Jilseponie.
»Aber bis es so weit ist, könnten wir König Danube vielleicht dazu bewegen, einem Punkt zuzustimmen, der Eurer Stimme in der Stadt, ja sogar in der gesamten Region, zusätzliches Gewicht verleihen würde.«
Jilseponie sah ihn fragend an.
»Man hat mir angeboten, die Weihung der Kapelle von Avelyn zu beaufsichtigen und ihr im ersten Jahr vorzustehen«, bekannte der Abt. »Das mag wie eine Degradierung aussehen – die es, bei genauer Betrachtung auch wäre –, aber es gäbe mir die Macht, die Entwicklung dieser zukünftigen Abtei – dieser, wenn mich nicht alles täuscht, bald sehr einflussreichen Abtei – zu überwachen. Dadurch entstünde in St. Precious eine Lücke, die niemand besser als Ihr, Jilseponie, auszufüllen im Stande wäre.«
»Aber ich bin doch bereits Baroness«, wollte sie antworten, doch die Worte blieben ihr in der Kehle stecken, als sie begriff, was Braumin tatsächlich damit meinte. »Ein weiterer Bischof?«, fragte sie ungläubig. »Nach dem Debakel mit den Handlangern Markwarts?«
»Das war etwas völlig anderes«, versicherte ihr Braumin.
»König Danube würde der Ernennung eines weiteren Bischofs niemals zustimmen, nicht nach dem Desaster mit Marcalo De’Unnero«, sagte Jilseponie entschieden.
»In beiden früheren Fällen, bei Bruder De’Unnero und bei Bruder Francis, ging diese Stellung ursprünglich nicht aus dem Machtgefüge des Staates, sondern der Kirche hervor«, erklärte ihr Braumin. »In diesem Fall dagegen böte die Kirche König Danube eine Ausweitung seiner Machtbefugnis an, nicht umgekehrt. Durchaus vorstellbar, dass er sein Einverständnis gibt, insbesondere wenn man bedenkt, wie viel Vertrauen er zu der in Frage kommenden Person hat.«
»Aber in diesem Fall würde die Kirche niemals ihr Einverständnis geben«, erwiderte Jilseponie.
»Meister Fio Bou-raiy von St. Mere-Abelle hat mir den Vorschlag persönlich unterbreitet«, gestand Abt Braumin. »Viele in der Kirche sehnen sich schon lange danach, Eure Stimme aus der Kanzel zu vernehmen.«
Jilseponie vermochte die Richtigkeit dieser Feststellung zwar nicht zu widerlegen, aber sie hatte Fio Bou-raiy niemals zu den »vielen« gezählt, von denen Braumin jetzt sprach. Schon die Tatsache, dass Bou-raiy selbst diese Verschiebung im Machtgefüge vorgeschlagen hatte, ließ bei ihr sämtliche Alarmglocken läuten. Vielleicht akzeptierten Bou-raiy und andere die scheinbare Unausweichlichkeit einer Verbindung zwischen ihr und König Danube und versuchten jetzt, sich ihrer Stimme zu versichern, so lange sich ihnen noch die Möglichkeit der Einflussnahme bot.
Natürlich würde eine solche Verbindung Jilseponie zwingen, nach Ursal zu gehen, wodurch in Palmaris ein Vakuum entstünde.
»Ihr setzt auf die Gunst, die der König mir entgegenbringt«, sagte Jilseponie vorwurfsvoll, als ihr die Schattenseite dieser Unterredung bewusst wurde. »Ich werde Bischöfin, gehe fort, um Königin zu werden, aber wer wird dann –«
»Ich tue nichts von alledem um meines persönlichen Vorteils willen«, fiel Abt
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