Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn
Tag brachen sie zusammen auf; und in einer zwanglosen Unterhaltung gestand ihr Marcalo De’Unnero intimste Gefühle und Sorgen, die er sich vor diesem Augenblick nicht einmal selbst eingestanden hatte.
10. Pfarrer und Bischof
»Ich wusste, dass ihr kommen würdet!«, rief Jilseponie entzückt, als sie die beiden den Schankraum von Caer Tinella betreten sah. Sie eilte quer durch den Raum zu Roger Flinkfinger und schloss ihn überschwänglich in die Arme, um gleich darauf Dainsey mit der gleichen Herzlichkeit zu begrüßen.
Jilseponies Lächeln war aber nicht von Dauer, denn als ihr Blick hinter die beiden fiel, musste sie feststellen, dass der dritte Besucher, den sie erwartete, nicht mitgekommen war.
»Belster musste auf die Reise verzichten«, erklärte Roger, denn Jilseponies Enttäuschung war nicht zu übersehen.
»Er ist doch nicht etwa krank?«, fragte Jilseponie besorgt. »Ich werde ihn sofort besuchen.«
»Krank nicht«, warf Dainsey ein und versuchte sie zu beruhigen.
»Er hat sich am Bein verletzt«, sagte Roger. »Er ist wohlauf und hat sogar noch versucht, die Reise anzutreten, aber wir mussten umkehren, weil das Rütteln des Wagens zu schmerzhaft für ihn war.«
»Dann werde ich ihn besuchen«, wiederholte Jilseponie, und diesmal bedachte Roger sie mit einem liebevollen Blick, statt ihr zu widersprechen.
»Das habe ich ihm auch erklärt«, sagte er. Rogers Blick wanderte durch den Raum hinüber zu König Danube, der, am Tresen sitzend, locker mit einem anderen Mann plauderte, in dem Roger Herzog Bretherford von Mirianic wiedererkannte. »Möglicherweise würde es dir auch gut tun, Elbryans Grab in diesem Sommer aufzusuchen.«
Jilseponies Blick verengte sich, während sie Roger weiterhin musterte.
»Hat er etwa um deine Hand angehalten?«, fragte Roger sie auf den Kopf zu.
»Meine Königin«, zog Dainsey sie auf und deutete einen Hofknicks an.
Jilseponie warf ihr einen finsteren Blick zu, doch ihr Ärger war nur gespielt, und Dainsey wusste das. »Hat er nicht«, erwiderte Jilseponie.
»Aber abgereist ist er auch noch nicht«, bemerkte Roger verschmitzt.
Woraufhin Jilseponie nur achselzuckend einen Blick über ihre Schulter auf König Danube warf; schließlich war das nicht zu leugnen. Außerdem verlieh sie damit ihrer Überzeugung Ausdruck, dass Danube ihr noch vor seiner Rückkehr in den Süden des Landes einen Antrag machen würde.
»Und wenn er es nun tatsächlich tut?«, hakte Roger ein wenig misstrauisch nach, und mehr als alles andere war es sein Tonfall, der Jilseponie bewog, sich umzudrehen und ihn anzusehen.
»Wird Pony sich dann bereit erklären, Königin des Bärenreiches zu werden?«, fragte Roger, Jilseponies längst abgelegten Kosenamen benutzend, einen Namen, den allein Roger auf diese Weise benutzen durfte, ohne sich ihren Zorn zuzuziehen.
»Nein«, antwortete Jilseponie ohne das geringste Zögern.
Offenkundig erschrocken über diese entschiedene Antwort, sahen sich Roger und Dainsey mit großen Augen an.
» Pony wird niemals einen anderen heiraten«, erklärte Jilseponie mit unüberhörbarer Betonung ihres Kosenamens. »Denn ich fürchte, mit Elbryans Tod ist unwiederbringlich auch Pony gestorben.«
Roger stieß einen tiefen Seufzer aus. »Entschuldige«, sagte er und ergriff behutsam Jilseponies Hand. »Verrate mir trotzdem eins: Was wird Jilseponie König Danube antworten, wenn er ihr den Antrag macht? Vorausgesetzt, sie weiß es selber schon.«
Sie schaute abermals über ihre Schulter und betrachtete den König, als hätte sie die Absicht, die Entscheidung gleich hier und jetzt zu treffen. »Aber sie weiß es nicht«, gestand sie und wandte sich wieder um. »Trotzdem bin ich nach einem weiteren Sommer an seiner Seite noch immer überzeugt, dass König Danube ein vortrefflicher und ehrenhafter Mann ist – und ein würdiger König.«
»Aber liebst du ihn denn auch?«, fragte Dainsey.
»Ich fühle mich in seiner Gesellschaft äußerst wohl«, antwortete Jilseponie. »Ich weiß, es geht mir besser, wenn er bei mir ist. Die Antwort, Dainsey, lautet also: ja, ich glaube schon.« Ihr entging weder Rogers leichtes Stirnrunzeln, noch sein skeptischer Gesichtsausdruck.
»Natürlich nicht so, wie ich Elbryan geliebt habe«, beeilte sie sich hinzuzufügen; erstens, weil es der Wahrheit entsprach, und zweitens, weil Roger Flinkfinger diese Worte unbedingt aus ihrem Munde hören musste. »Eine Liebe, wie ihr beide sie gefunden habt«, fuhr sie fort, löste ihre Hand aus
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