Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn
an diesem Mann so bewunderte. Seine Selbstsicherheit erwuchs aus einer inneren Überzeugtheit, aus einer Bereitschaft, etwas zu riskieren und notfalls sogar in Kauf zu nehmen, sich ein wenig lächerlich zu machen. Das Gleiche galt für sein Verhältnis zu Jilseponie, und das wusste sie. König Danube brauchte nur mit dem Finger zu schnippen, und schon lag ihm praktisch jede unverheiratete Frau in Ursal zu Füßen. Warum sollte er sich also in Verlegenheit bringen, indem er für jeden ersichtlich eine Frau umwarb, die ihrem eigenen Eingeständnis nach zögerte, eine Verbindung mit ihm oder einem anderen Mann einzugehen?
Bei manchen Männern wäre das Motiv ganz einfach Stolz gewesen, das Bedürfnis, das Unerreichbare zu erobern, die Herausforderung der Jagd. In Danubes Fall dagegen lagen die Dinge anders, dessen war sich Jilseponie ziemlich sicher. Wies sie ihn ab, reagierte er nicht etwa mit dem verräterischen Drängen, das weniger ehrenhafte Männer wie Herzog Targon Bree Kalas an den Tag gelegt hätten. Nein, in den Jahren seines allmählich immer intensiver werdenden Werbens um sie hatte König Danube jede Zurückweisung in eben jenem Geiste akzeptiert, in dem sie erteilt worden war, und war stets bemüht gewesen, sich Jilseponies Sichtweise und Empfindlichkeiten zu Eigen zu machen.
Lässiges Selbstvertrauen, so sah Jilseponie König Danubes Bereitschaft, sein Möglichstes zu tun und hinzunehmen, was immer sich daraus ergeben mochte.
»Damals lernte ich Elbryan und Jilseponie gerade kennen«, sagte König Danube soeben, und die Nennung ihres Namens holte sie in die Gegenwart zurück. Überrascht stellte sie fest, dass sie, versunken in ihren Betrachtungen, einen Großteil von Danubes Rede versäumt hatte.
»Und zwar als meine Gefangenen«, fuhr König Danube kopfschüttelnd fort und lachte leise. »Irregeleitet von den verdrehten Worten eines verdrehten Mannes hielten wir sie für gewöhnliche Verbrecher.«
Jilseponie bemerkte, dass Meister Bou-raiy bei Danubes Schilderung von Markwart als »verdrehtem Mann« leicht zusammenzuckte. Braumin hatte ihr anvertraut, dass man in Kirchenkreisen beschlossen habe, das Andenken des ehrwürdigen Vaters Markwart, zumindest auf absehbare Zeit, mit Fingerspitzengefühl zu behandeln und kein Urteil über ihn zu fällen, und doch ließ sich König Danube zu einer derart eindeutigen Feststellung hinreißen.
»Aber bereits kurz nach ihrer Einkerkerung sollten wir die Wahrheit erfahren«, erklärte König Danube dem versammelten Publikum. »Die Wahrheit über Elbryan, den Nachtvogel, die Wahrheit über Avelyn Desbris und die Wahrheit über Jilseponie – eine Wahrheit, die noch gestützt, bekräftigt und selbst für den schärfsten Zweifler offenkundig wurde, als diese drei uns alle vor der Rotflecken-Pest retteten. Es erfüllt mich daher mit großer Freude, dass ich dieser Feier beiwohnen kann. Diese Freude wird noch gesteigert, wenn ich den Blick in die Menge richte und sehe, dass Baroness Jilseponie unter den Anwesenden weilt, die ich jetzt ganz herzlich bitten möchte, nach vorn zu kommen und uns von ihrer Zeit mit Avelyn zu berichten, von der Schlacht mit dem verhassten geflügelten Dämon und vom ersten und zweiten Wunder auf dem Berg Aida.« Bei seinen letzten Worten deutete er mit ausgestreckter Hand auf sie und winkte sie zu sich herauf.
Die Frau namens Pony wollte nicht dort hinauf, sie wollte ihre Erinnerungen an Nachtvogel oder Avelyn mit niemandem teilen. Die Frau mit Namen Jilseponie aber wusste, dass sie dort hinaufgehen, der Welt die Wahrheit erzählen und damit der derzeitigen Kirche und dem Staat den Rücken stärken musste.
Also tat sie es. Sie stellte sich neben König Danube und berichtete von ihrer ersten Begegnung mit Avelyn, als er noch als der »irre Mönch« bekannt und für den Unachtsamen kaum mehr als ein Trunkenbold und Prahlhans gewesen war. In Wahrheit hatte es sich bei jenem Mann um denjenigen gehandelt, der den Irrweg des Abellikaner-Ordens in aller Deutlichkeit erkannt und mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln versucht hatte, die Menschen darüber aufzuklären. Sie berichtete von den Kämpfen in den Waldlanden gegen die Günstlinge des Dämons und von der beschwerlichen Reise zum Berg Aida, dem Hort der Bestie. Anschließend erzählte sie, sorgsam darauf bedacht, die Empfindlichkeiten der Kirchenoberen nicht zu verletzen, von den Nachwirkungen des Krieges gegen den Dämon, von Markwarts Irrweg und schließlich von ihrer Reise mit
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