Schattenelf - 2 - Das Turnier
Stimme. »Jilseponie ist sich ihrer Verantwortung bewusst, seit jenem Tag, da Elbryan sie im Bilnelle dasada unterwiesen hat. Eure Herrscherin weiß das, und trotzdem besteht Ihr darauf?«
»Darauf, ein Auge auf sie zu halten?«, fragte Kelerin’tul. »Allerdings, und daran wird sich auch niemals etwas ändern.«
Roger war so angewidert, dass er beinahe losgebrüllt hätte.
»Offenkundig seid Ihr der Meinung, man sollte einem Freund mehr Vertrauen entgegenbringen?«, folgerte Kelerin’tul.
»Ihr spioniert ihr jetzt schon seit Jahren nach«, erwiderte Roger. »Und beobachtet jede ihrer Bewegungen, als würdet Ihr erwarten, sie könnte jeden Augenblick mit einer Armee in Eure Heimat einfallen – mit einer in Eurer Kampfkunst ausgebildeten Armee.«
»Erwarten?«, wiederholte Kelerin’tul. »Nein, das wäre vielleicht ein wenig übertrieben formuliert.«
»Aber Ihr befürchtet es«, sagte Roger.
»Wir sind ein vorsichtiges Volk«, gab der Elfe zu.
»Jilseponie wurde vor langer Zeit zu einer Freundin der Elfen erklärt«, protestierte Roger. »Bedeutet Euch das denn überhaupt nichts?«
Kelerin’tul lachte; es war ein melodisches Geräusch, wenn auch mit leicht spöttischem Beiklang. »Täte es das nicht, hätte man sie längst getötet«, versicherte ihm der Elf, und Roger zweifelte nicht daran, dass Kelerin’tul die Wahrheit sprach. »Außerdem hätte man ihr sonst bestimmt nicht erlaubt, nach Ursal zu gehen und an der Seite eines Menschenkönigs zu sitzen.«
»Weil Lady Dasslerond es so angeordnet hat«, sagte Roger sarkastisch.
»Ihr missdeutet unsere Lage, Roger Flinkfinger«, erwiderte der Elf. »Jilseponie ist eine Freundin der Elfen, ganz recht. Das seid Ihr auch, aber Ihr begreift die wahre Bedeutung dieses Titels nicht. An oberster Stelle kommen stets die Bedürfnisse der Touel’alfar, und nichts, was Jilseponie oder Euch betrifft – weder Eure Wünsche noch Eure Bedürfnisse, ja nicht einmal Euer Leben –, könnte jemals einen höheren Stellenwert besitzen. Derzeit verlangen wir von Euch und Jilseponie wenig, aber Ihr solltet niemals daran zweifeln, dass wir uns absichern werden. Seit unserer letzten Einmischung sind viele Jahre vergangen«, fuhr Kelerin’tul fort. »Im kurzen Gedächtnis der Menschen sind wir längst zu einer verschwommenen Legende geworden. So ist es uns auch lieber – und genau das verlangen wir von den Menschen, die wir zu einem Freund der Elfen erklären.«
Roger blickte dem Elfen fest in die Augen; er glaubte ihm aufs Wort. Unter den Touel’alfar war Mitgefühl nicht sonderlich verbreitet, schon gar nicht, wenn es um die Belange der Menschen ging. Und als Volk waren sie gegenüber den Schwächen der Menschen alles andere als tolerant.
»Ich muss Lady Dasslerond Bericht erstatten«, sagte Kelerin’tul. »Was soll ich ihr also sagen?«
»Dass Königin Jilseponie die Touel’alfar niemals erwähnt«, antwortete Roger. »Erst als ich sie direkt darauf ansprach, hat sie, ich glaube seit Jahren zum ersten Mal, überhaupt an euch gedacht. Sie wird nicht zulassen, dass bei Hofe über die Touel’alfar diskutiert wird, egal in welchem Zusammenhang. Lady Dasslerond braucht keine wie auch immer geartete Angst vor ihr zu haben – und auch nicht um ihr Geheimnis des Bilnelle dasada .«
Wenn Kelerin’tul dies überzeugte und beruhigte, so wusste er es gut zu verbergen.
Roger lachte ein wenig hilflos. »Ist Euch denn nicht einmal klar, in welchem Verhältnis Jilseponie zu diesen … diesen Dummköpfen steht?«, fragte er. »Sie würde ihnen niemals etwas beibringen, das auch nur den geringsten Wert besitzt, und erst recht würde sie ihretwegen keine Abmachung mit ihren Freunden brechen. Der Befehlshaber der Armee König Danubes ist ihr erklärter Feind. Es gibt nur einen einzigen Weg, dass er oder ein anderer durch Jilseponie jemals Zeuge des Bilnelle dasada wird, und das wäre vor der Spitze ihres Schwertes.«
Kelerin’tul bedachte ihn mit einem langen, festen Blick und nickte dann, offenbar zufrieden. »Und was den anderen Punkt anbelangt, habt Ihr sie danach gefragt?«
»Ich habe sogar darauf bestanden«, erwiderte Roger. »Ihr werdet das Ergebnis von mir erfahren, sobald Jilseponie mir eine Antwort gibt.«
»Die werden wir noch vor Euch kennen«, antwortete Kelerin’tul mit der für ihn typischen Arroganz, dann verbeugte er sich leicht, verschmolz wieder mit den Schatten und entfernte sich geräuschlos durch das Fenster im Zimmer nebenan.
Dainsey eilte sofort zu
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