Schattenelf - 2 - Das Turnier
wobei die drei, die gegen Kalas als letzte zu Boden gegangen sind, jeweils den Kopf der Gruppe bilden. Sobald jede Gruppe unter den Neulingen und Verlierern einen Gewinner ausgemacht hat, wird dieser gegen den jeweiligen Gruppenführer antreten. Der Gewinner kommt dann weiter. Damit bleiben, Herzog Kalas eingerechnet, vier Kämpfer übrig«, fuhr De’Unnero fort. »Und diese vier werden gegeneinander kämpfen, bis sich nur noch einer auf den Beinen halten kann.«
»In offenem Schlagabtausch?«, fragte Aydrian.
De’Unnero schüttelte den Kopf. »Im Kampf Mann gegen Mann. Mit der Lanze und, falls nötig, mit Faustwaffen.« Bei den letzten Worten lächelte er und sah Aydrian fest in die Augen. »Und morgen werden es echte Waffen sein, nicht diese gepolsterten Keulen.«
Aydrian lächelte zurück; das hörte er gern.
»Und noch etwas«, sagte De’Unnero, als sie das Festgelände verließen und sich zu der Villa begaben, die sie außerhalb von Ursal bezogen hatten. »Als Sieger des heutigen Tages wird Herzog Kalas morgen als Kämpe des Königs einreiten.«
»Und Aydrian?«, fragte Sadye; doch ihr Grinsen verriet dem jungen Krieger sofort, dass sie die Antwort längst kannte.
»Aydrian wird sich erst in der allerletzten Runde zu erkennen geben müssen«, antwortete De’Unnero. »Dann wird er für die Königin reiten.«
»Der Raubvogel wird die erste Runde bestimmt gewinnen, was meinst du?«, fragte ein verlotterter Kerl mit graubraunen Bartstoppeln und einem Haarschopf, in dem er ständig herumkratzte, um ein paar Läuse herauszuholen.
»Der wäre besser schon gestern hier gewesen«, erwiderte sein gleichermaßen verwahrloster Kumpan und wischte sich mit seinem völlig verdreckten Ärmel über die Nase, bevor er zur Seite auf den Boden rotzte. Der Klumpen landete genau vor De’Unneros Füßen.
Der ehemalige Mönch betrachtete ihn einen Moment lang und schloss dann die Augen, um alle etwaigen Gelüste der in ihm schlummernden Katze im Keim zu ersticken. Er würdigte die beiden besonders verdreckten und unangenehmen Exemplare der ländlichen Bevölkerung keines Blickes, ihre Bemerkung aber fand er, den Blick auf das Feld gerichtet, auf dem sich derzeit sämtliche Nachzügler einfanden, durchaus bedenkenswert. Er hatte keine Mühe zu erkennen, wer dieser »Raubvogel« sein sollte, denn von dem Dutzend Neuankömmlingen trug nur einer eine Rüstung, die sich für einen Adligen oder wenigstens den Kämpfer eines wohlhabenden Adligen geziemte. Die übrigen aus der Gruppe boten einen erheblich weniger eindrucksvollen Anblick: junge Burschen, die irgendeinem jungen Fräulein, die sie mit ihren Reizen betört hatte, etwas beweisen wollten oder die sich der Illusion hingaben, sie könnten allein durch ihr Geschick zu Pferd oder mit der Lanze den gewaltigen Nachteil einer nicht vorhandenen Rüstung wettmachen.
Der Gedanke ließ De’Unnero lächeln – er konnte sich gut vorstellen, wie der gänzlich unerfahrene Aydrian in ähnlicher Manier auf den Turnierplatz ritt, in der sicheren Überzeugung, den Nachteil durch sein Können auszugleichen. Was De’Unnero wieder einmal in seiner Überzeugung bestärkte, dass Aydrian großes Glück gehabt hatte, dass er dort draußen in der Wildnis an ihn geraten war. Auch De’Unnero war ein Meister der Kampfkunst und absolut überzeugt, Herzog Kalas im Kampf Mann gegen Mann vernichtend schlagen zu können.
Allerdings nicht zu Pferd, und schon gar nicht im ritualisierten Kampf eines Turniers. Aydrians Kampfstil lebte, wie De’Unneros auch, von der Flinkheit seiner Beine und seiner ruhigen Mitte, doch das alles nützte wenig, wenn die Füße in Steigbügeln steckten.
Zumal eine Lanze keine Waffe war, der man ausweichen oder die man parieren konnte.
Deswegen auch die Rüstung. De’Unneros erwartungsvolle Spannung wuchs, denn er wusste, dass Sadye und der junge Krieger nicht weit entfernt waren; er konnte den großen Einzug der Kämpfer kaum erwarten.
Diese Rüstung! Kein einziger Mann dort unten, selbst Kalas nicht, war prächtiger ausstaffiert, und was sich tatsächlich hinter Aydrians edelsteinbesetzter Rüstung verbarg, war sogar noch beeindruckender als ihr äußeres Erscheinungsbild.
Dann hallten die ersten Laute ehrfurchtsvollen Staunens über den Platz, und De’Unneros Lächeln wurde noch breiter. Er sah, wie Aydrian, hoch zu Ross auf Symphonie, mitten durch die Menge ritt. Er trug die glänzende, goldbesetzte Rüstung, deren Helm seine Gesichtszüge vollkommen
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