Schattenelf - 3 - Der Herr der Flammen
nahe genug, um sein Ziel zu treffen.
Unweit der Ortschaft machte Brynn Halt und wandte sich um, um zu sehen, ob sie noch in Gefahr war.
Doch ihr war niemand gefolgt.
14. Ein höchst eleganter Auftritt
Die Stämme der südlichen Steppengebiete To-gais, in der Nähe der Feuerberge, waren nie echte Nomaden gewesen, daher hatte das Vordringen der behrenesischen Eroberer die Lebensweise dieser To-gai-ru nicht so nachhaltig verändern können wie die ihrer weiter nördlich lebenden Stammesbrüder. Die Nordhänge dieses vulkanischen Gebirges waren das ganze Jahr über derart fruchtbar, dass gar nicht die Notwendigkeit bestand, auf Wanderschaft zu gehen oder einer der großen Herden zu folgen. Daher lebten und arbeiteten hier, weit weg von Jacintha und den Erlassen des Chezru-Häuptlings, wo der Grenzverlauf zwischen beiden Königreichen längst nicht so eindeutig war wie weiter nördlich, Behreneser und To-gai-ru bereits seit vielen Jahrhunderten in vergleichsweise enger Nachbarschaft zusammen. Es gab sogar Kinder gemischter Abstammung, doch die galten keineswegs als selbstverständlich und entsprangen einer Praxis, die niemals öffentlich Anerkennung gefunden hatte.
Das Einzige, was sich seit der Eroberung To-gais tatsächlich verändert hatte, war die Präsenz behrenesischen Militärs in Gestalt eines einzigen Achterkarrees, das die Ortschaften und Nomadenlager reihum mit seiner Anwesenheit beehrte, womit sie sich allerdings den Unmut vieler To-gai-ru zuzogen, weil dieses Vorgehen ganz offenkundig dem Zweck diente, die behrenesische Bevölkerung dieser Gebiete gegen ihre To-gai-ru-Nachbarn aufzuhetzen. Bezeichnenderweise gingen die ganz normalen Behreneser und To-gai-ru aber gleich nach Abzug des Achterkarrees wieder zu ihrem gewohnten Tagesablauf über.
Es gab noch eine weitere Gemeinsamkeit, die Behreneser und To-gai-ru aus diesen südlichen Gebieten miteinander verband: das Misstrauen, das man gegenüber dem rätselhaften Mystikerorden empfand, der Gerüchten zufolge die Feuerberge unsicher machte, den Jhesta Tu. Derartige Vorbehalte fanden unter den Behrenesern noch zusätzlich Nahrung, da die Yatol-Religion die Jhesta Tu schon vor langer Zeit als Ketzer gebrandmarkt hatte. Selbst bei den To-gai-ru – traditionell anderen Glaubensrichtungen gegenüber eher tolerant, weil ihre Stämme selbst oft unterschiedliche Gottheiten verehrten – hatten die Jhesta Tu noch nie in gutem Ruf gestanden.
Dies also war die Situation, in die sich Pagonel begab, als er seiner wenige Tage vor dem Erwerb der Schärpe Aller Farben erblickten Vision folgte, einen Rucksack mit verschiedensten bunten Garnen sowie Nähzeug auf dem Rücken, um seine Arbeit an der Schärpe für den nächsten Meister fortsetzen zu können, der den Pfad dereinst beschreiten würde. Er war sich darüber im Klaren, dass er feindlichen Boden betreten würde, ganz gleich in welcher Richtung er die Feuerberge verließ, aber er hatte die Wahrheit erblickt und auf ebenso bewusst wie intime Weise Bekanntschaft mit seiner Lebensenergie, dem Chi, gemacht und fürchtete sich vor nichts.
Im Schankraum des ersten Dorfes, in das er gelangte, spürte er die vielen Blicke, die sich auf ihn hefteten, und da er sowohl fließend Behrenesisch als auch To-gai-ru sprach, verstand er auch die unzähligen, hinter vorgehaltener Hand getuschelten Beleidigungen, die ihm von allen Seiten entgegenschlugen. Er ließ sie an sich abperlen; diese Menschen verstanden einfach nicht. Wie sollten sie auch?
Der Besitzer des Schankraums, ein To-gai-ru, brachte ihm zwar die gewünschte Bestellung, berechnete ihm aber mehr Silbermünzen als üblich, wie Pagonel sofort bemerkte.
»Habt Ihr auch Zimmer, in denen man übernachten kann?«, wandte sich Pagonel an ihn.
Der Besitzer ließ den Blick über seine zahlreichen Gäste schweifen, deren Augen ausnahmslos auf ihn gerichtet waren.
»Keine Angst, mein Freund, ich verzichte sogar darauf, um eine Unterkunft zu bitten«, erlöste er den sichtlich nervösen Mann. »Die Nacht wird nicht sehr kalt werden, außerdem sind die Sterne das beste Dach über dem Kopf, das man sich wünschen kann.« Pagonel leerte sein Glas Wasser und verbeugte sich lächelnd vor dem unruhig gewordenen Schankwirt, ehe er sich mit gleichem Gruß von den übrigen Anwesenden verabschiedete.
Als er aus dem Gebäude ins Freie trat, hörte er, wie sich viele tuschelnd über ihn unterhielten – fast alle abfällig.
Wenigstens hatten sie ihre Feindseligkeit nicht offen gezeigt,
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