Schattenelf - 3 - Der Herr der Flammen
zu ihrem Land führen würde, sondern bereits die ersten Vorboten der Steppen To-gais.
Eines Tages, Brynn ritt angespannt vornübergebeugt und ihre ganze Körpersprache verriet deutlich, dass sie ihr Ziel bereits in Sichtweite, ja geradezu greifbar nahe wähnte, bespritzte Belli’mar Juraviel sie mit ein wenig kaltem Wasser.
»Es trifft sich gut, dass wir die Ausläufer des Großen Gürtels voraussichtlich noch vor der Sommersonnenwende erreichen werden«, sagte er beiläufig. »Dann haben wir wenigstens eine Chance, noch vor Einsetzen der winterlichen Schneefälle einen Weg über die Wasserscheide zu finden.«
Als sich Brynn daraufhin umdrehte, um ihn anzusehen, standen ihr Verwunderung und Verwirrung ins Gesicht geschrieben.
»Dort oben auf den Pässen des Hochgebirges wird es sehr früh Winter«, erklärte Juraviel. »Ich bezweifle allerdings, dass es hier unten, unterhalb der Baumgrenze und so tief im Süden, viel Schnee geben wird, falls es überhaupt jemals schneit. Dir wird nicht entgangen sein, dass die Gipfel der Berge noch immer schneebedeckt sind, obwohl der Höhepunkt des Sommers naht. Vermutlich werden wir nicht hoch hinaufsteigen müssen, um festzustellen, dass die Pässe gänzlich unpassierbar sind. Immer vorausgesetzt natürlich, wir finden überhaupt einen Pass«, schloss er mit einer gewissen Bitterkeit.
Der letzte Satz ließ Brynn viel sagend die Augen aufreißen. »Du kennst den Weg durch die Berge gar nicht?«, fragte sie fast ein wenig erschrocken. »Aber du warst doch schon dort – oder zumindest dein Volk –, und das vor gerade mal zehn Jahren! Als ihr mich vor den Chezru gerettet habt! Die Touel’alfar können den Weg doch unmöglich schon vergessen haben!«
»Gerettet hat dich Lady Dasslerond«, erwiderte Juraviel trocken. »Dank ihrer Steine kann sie in kürzester Zeit sehr große Strecken zurücklegen. Wahrscheinlich erinnerst du dich nicht mehr daran, aber als sie dich im Schlepptau hatte, hat sie dich, gemeinsam mit ihren Helfern, in einen Schlummer versetzt und sich anschließend der magischen Kräfte des Smaragds bedient, sodass die Strecke von einhundert Meilen zu einem kurzen Spaziergang wurde.«
»Und wieso hat sie das Gleiche nicht auch jetzt getan?«, ereiferte sich Brynn. »Wir hätten uns mehrere Wochen Reisezeit ersparen können! Außerdem wäre das Gebirge kein Hindernis für uns. Stattdessen sitzt du einfach da und erklärst mir, dass wir womöglich nicht mal einen Pass hindurch finden werden!«
»Der Weg dient als Vorbereitung auf die Prüfungen an seinem Ziel.«
Brynn schnaubte verächtlich; das Argument vermochte sie offensichtlich nicht zu überzeugen. »Und was tun wir, wenn wir es nicht schaffen, einen Weg durch die Berge zu finden? Bleiben wir dann in ihren Schatten hocken und geben uns gemeinsam irgendwelchen unerfüllbaren Träumen hin? Oder kehren wir am Ende gar zurück nach Caer’alfar und bitten Lady Dasslerond, das zu tun, was sie längst hätte tun sollen?«
Die letzte Bemerkung trug ihr einen missbilligenden Blick ein, der die junge Hüterin daran erinnerte, dass es in Bezug auf die Touel’alfar gewisse Grenzen gab, die sie besser nicht überschritt.
Sie ließ sich trotzdem nicht beirren und versuchte, wenn auch in gemäßigterem Tonfall, ihre Empörung zu erklären. »Mein Volk lebt in Sklaverei; jeder Tag des Zauderns bedeutet für die To-gai-ru einen weiteren Tag im Elend. Die Revolution könnte längst begonnen haben.«
Belli’mar Juraviel schüttelte amüsiert den Kopf. Brynn glaubte, er mache sich über sie lustig, und ihre braunen Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
»Glaubst du etwa, wenn Lady Dasslerond die Kräfte des Smaragds beschworen und dich mitten in einem Dorf der To-gai-ru-Enklave abgesetzt hätte, hättest du einfach vortreten und das Heft in die Hand nehmen können?«, fragte der Elf. »Aufgrund welcher Erklärung hätte man dich zur Heldin und Anführerin ernennen sollen?«
»Aufgrund derselben, die ich vermutlich werde benutzen müssen, wenn wir eines fernen Tages endlich in To-gai angekommen sind«, folgte prompt die sarkastische Erwiderung. Kaum hörbar fügte Brynn hinzu: »Wenn es überhaupt jemals dazu kommt.«
»Wenn wir keinen Weg durch das Gebirge finden, werden wir am Vorgebirge entlang in östlicher Richtung bis hinunter zur Küste und zur Stadt Entel reiten; dort dürften wir keine Schwierigkeiten haben, uns eine Schiffspassage nach Jacintha zu beschaffen.«
Der Name der zweiten Stadt, Jacintha,
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