Schattenelf - 3 - Der Herr der Flammen
eine Gruppe von Halbstarken, die einen Kreis um zwei Streithähne gebildet hatten, um sie anzufeuern.
Das Ganze war allerdings mehr als ärgerlich. Yakim Douan wollte in die Phase der Transzendenz eintreten, wünschte sich einen neuen, jüngeren Körper. Aber wie konnte er die Gemeinde der Chezru in all ihrer Verwundbarkeit alleine lassen, wenn mitten unter ihnen ein solches Chaos herrschte und sogar die Yatols, angeblich ihre Oberhäupter, untereinander zerstritten waren? Das Wortgefecht zwischen Peridan und De Hamman spitzte sich weiterhin bedenklich zu, bis der Chezru-Häuptling schließlich mit der Faust auf den runden Weißholztisch schlug und sich so vehement erhob, dass der Stuhl unter ihm wegrutschte.
»Bedient Ihr Euch nun der Piraten, Yatol Peridan, oder nicht?«, rief er. Die Frage kam so unverblümt, dass sämtliche Anwesenden erschrocken zusammenfuhren. Es war eine Sache, wenn zwei Priester sich in einem Wortgefecht gegenseitig beschuldigten, etwas ganz anderes jedoch war es, wenn der Chezru-Häuptling, die Stimme Gottes aller Yatols, eine Frage von derartiger Bedeutung stellte.
»Stimme Gottes, wie könnt Ihr mir nur eine solche Frage stellen …«, stammelte Yatol Peridan unbeholfen.
»Exakt so, wie ich es soeben getan habe«, entgegnete Yakim Douan vollkommen ruhig und gelassen. »Bedient Ihr Euch der Piraten zu Eurem eigenen Vorteil oder dem der Kirche?«
Peridan, offensichtlich auf der Suche nach einer Ausrede, wand sich noch immer, doch Yakim fixierte ihn mit einem vernichtenden Blick, einem Blick, den er über die Jahrhunderte vervollkommnet hatte und der keinerlei Ausflüchte zuließ.
»Es ist wahr, Stimme Gottes, die Piraten haben Abgaben an meine Kirche gezahlt«, räumte er schließlich ein und schlug die Augen nieder. Die anderen Priester wechselten beunruhigte Blicke. Natürlich war Peridans Geständnis für sie nichts Neues, alle Anwesenden waren schließlich über die Beziehungen des Yatols zu einigen der berüchtigsten Schurken, die die Küste unsicher machten, bestens informiert, sein unverhohlenes Eingeständnis aber, noch dazu gegenüber dem Chezru-Häuptling persönlich, war schon ein ziemlich starkes Stück.
Yatol De Hamman lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust; er wirkte einigermaßen zufrieden mit sich selbst.
»Und diese … Abgabenzahlungen habt Ihr zum Wohl Eurer Kirche und Gemeinde verwendet?«, bohrte der Chezru-Häuptling weiter, woraufhin sich aller Augen in unverminderter Überraschung auf ihn richteten.
»Aber gewiss doch«, bestätigte Yatol Peridan geradezu überschwänglich, nachdem sich der erste Schock über die Frage gelegt hatte. »Außerdem habe ich mit vielen Piraten über ihr Tun gesprochen, Stimme Gottes. Ich möchte ihr Verhalten ändern und ihre Kräfte zum Wohl der Allgemeinheit auf andere Ziele lenken.«
»Diese Leute sind Mörder!«, entfuhr es Yatol De Hamman. »Mörder, alle miteinander.«
Er machte Anstalten, sich weiter zu ereifern, doch Yakim Douan hob die Hand, um dem Mann Einhalt zu gebieten. »Ihr habt vollkommen Recht, Yatol De Hamman«, erklärte er. »Abgesehen davon empfinde ich nur wenig Sympathien für die Piraten, die Eure Kriegsschiffe in die Tiefen der dunklen Fluten versenkt haben. Doch obgleich sie Mörder sind, sind sie auch unvermeidlich. Seit Jahrhunderten schon fliehen die Piraten mit ihren Katamaranen vor den behrenesischen Kriegsschiffen über die Korallenriffe; es hat sie immer gegeben, und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Wenn Ihr das als gegeben akzeptiert, werdet Ihr schließlich auch einsehen, dass der Profit, den Yatol Peridan durch die Aktivitäten der Piraten erzielt, letztendlich auch den Chezru zugute kommt.«
»Seid gesegnet, Stimme Gottes«, setzte Yatol Peridan an.
»Aber«, fuhr Yakim Douan unbarmherzig fort und deutete vorwurfsvoll mit erhobenem Finger in Peridans Richtung, »hütet Euch davor, gewisse Dinge durcheinander zu bringen. Ihr beschwert Euch, dass Yatol De Hamman Piratenschiffe versenkt und damit Euren Verdienst schmälert, aber damit beweist Ihr lediglich eine Missachtung der Bedürfnisse Yatol De Hammans. Wie soll er seiner Gemeinde erfolgreich vorstehen, wenn diese nicht darauf vertrauen kann, dass er sie beschützt? Kommt also nicht nach Jacintha, um Euch darüber zu beklagen, dass Eure Yatol-Kollegen die Gesetze hochhalten, Yatol Peridan. Kommt nicht nach Jacintha, um Euch darüber zu beschweren, Euer Tempel werde nicht vergoldet.«
Yatol Peridan
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