Schattenelf - 3 - Der Herr der Flammen
es war vollkommen ernst gemeint, auch wenn ihm bei der Antwort ein gewisses Schuldgefühl beschlich, sobald er an Brynn und ihr voraussichtliches Schicksal dachte. Trotzdem konnte Juraviel seine Aufregung angesichts seiner beiden hellhäutigen und flügellosen Vettern nicht verhehlen. Für die Touel’alfar war dies eine ungeheure Sensation und mindestens ebenso bedeutend wie alles, was Brynn vielleicht in To-gai erreichen konnte. Trotz seiner inneren Zerrissenheit und Unruhe konnte er nicht bestreiten, dass ihn die Gelegenheit, sein Volk vor dem König der Doc’alfar zu vertreten, in Aufregung, ja Begeisterung versetzte.
»Ich fürchte allerdings, ich bin für eine Audienz bei Eurem König nicht passend angezogen«, fügte Juraviel hinzu.
»Was Ihr anhabt, ist völlig ausreichend«, erwiderte Cazzira. »Die von Wind und Wetter abgenutzte Kleidung eines Reisenden oder vielleicht sogar eines Diebes.«
Juraviel ließ die Bemerkung ohne äußere Regung über sich ergehen; er glaubte sogar, wenn nicht aus ihrer Wortwahl, so doch aus ihrem Ton, etwas Versöhnlicheres herauszuhören.
Lozan Duk bedeutete Juraviel, ihm zu folgen und führte ihn über einen verschlungenen Pfad zu einem großen, ausgehöhlten Baumstumpf. Im Innern fand Juraviel zwei Vertiefungen vor, eine gefüllt mit seifigem Öl, die andere mit klarem Regenwasser.
Welch eine Wohltat, sich endlich wieder waschen zu können!
Als er fertig war, drehte er sich um – gerade noch rechtzeitig, um das Handtuch aufzufangen, das Cazzira ihm zuwarf –, dann waren sie schon wieder unterwegs und liefen über die gewundenen, nebelverhangenen Pfade, zwischen kahlen, schwarzen Bäumen hindurch, die alle gleich aussahen. Juraviel bezweifelte, dass er den Rückweg alleine finden würde; vermutlich machten seine beiden Führer absichtlich so viele Umwege, um den eigentlichen Weg noch unkenntlicher zu machen, als er ohnehin schon war. Nachdenklich stellte er fest, dass sie den Touel’alfar doch sehr ähnlich waren.
Nahezu ohne Vorwarnung fand sich Juraviel plötzlich auf einem schmalen Weg zwischen steil aufragenden Bergflanken wieder, auf einem schmalen, dem Grund einer Schlucht folgenden Pfad, der bis vor eine riesige Höhle führte. Unmittelbar hinter dem Höhleneingang nahmen die beiden Doc’alfar eigentümlich schimmernde Lampen zur Hand, blieben stehen und wandten sich ihrem Gefangenen zu.
Juraviel sah sich nach allen Seiten um, obwohl die anderen Höhlenwände weit außerhalb der Reichweite des Lichtscheins lagen. Als sein Blick schließlich auf Lozan Duk und Cazzira zur Ruhe kam, sah er Lozan Duk auf sich zukommen, eine schwarze Kapuze in der Hand.
Er protestierte nicht, als sie sie ihm über den Kopf stülpten und eine rund um die Öffnung eingenähte Zugschnur zusammenzogen, um sie fester zu verschließen. Lozan Duk fasste ihn beim Arm und ging voraus; sie begaben sich auf einen langen und kurvenreichen Weg, mal durch Gänge, die Juraviel beinahe zu erdrücken schienen, dann wieder durch Höhlen, deren ungeheure Weite er deutlich zu spüren glaubte.
Einige Zeit später machten sie abermals Halt; zu Juraviels Überraschung nahm Cazzira ihm die Kapuze ab und musterte ihn durchdringend aus ihren kalten, blauen Augen. Sie befanden sich in einer geräumigen Höhle. Eigentlich hatte Juraviel das Gefühl, sich wieder im Freien zu befinden, vielleicht in einem verdeckten Einschnitt im Berg.
Ungeduldig wanderten seine Augen suchend nach oben, doch dann drehte er sich um, und die Höhle war mit einem Schlag vergessen, denn unmittelbar vor ihm ragten die prachtvollen Tore der Stadt der Doc’alfar in die Höhe.
»Tymwyvenne«, erklärte Lozan Duk. »Ihr seid seit vielen Jahrhunderten der erste Nicht-Doc’alfar, der die Tore Tymwyvennes zu sehen bekommt.«
»Ich fühle mich geehrt«, erwiderte Juraviel wiederum durchaus ernst, fast schon ein wenig ehrfürchtig, denn das Einfallstor nach Tymwyvenne entsprach durchaus seinen Erwartungen von den Vettern der Touel’alfar, übertraf sie sogar. Die offen stehenden Tore, gewaltige Türflügel, breit wie zehn Elfen nebeneinander, waren aus einem goldfarbenen Holz und wurden von zwei mächtigen runden Säulen aus demselben Material flankiert, die man vor eine Wand aus grauschwarzem Mauerwerk gesetzt hatte. Quer über diesen beiden lag waagrecht über der Türöffnung ein aus demselben Holz gefertigter Stützbalken, verziert mit einer schier unendlichen Vielfalt von in den unterschiedlichsten Farben schillernden
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