Schattenelf - 3 - Der Herr der Flammen
haben?«, fragte Juraviel.
»Ein Lindwurm«, antwortete Cazzira kurz darauf mit leiser Stimme, und als die beiden anderen sie daraufhin fragend ansahen, fügte sie hinzu: »Ein Drache.«
»Ein Drache?«, wiederholte Brynn und sah, einen zweifelnden Ausdruck im Gesicht, hinüber zu Juraviel.
Aber Juraviels Miene zerstreute alle ihre Zweifel, denn er pflichtete Cazzira nickend bei.
»Vielleicht haben sie zu tief gegraben«, erklärte Cazzira lakonisch, »und dabei etwas zutage gefördert, das besser unentdeckt geblieben wäre.«
»Habt Ihr nicht gemerkt, dass etwas fehlt?«, fragte Juraviel. Die beiden sahen ihn fragend an.
»Die Waffen«, erläuterte er. »Ihre Rüstungen, ihre ganzen Schätze. Nach allem, was wir bislang gesehen haben, ist die Stadt völlig ausgeplündert worden.«
»Diese Plünderer hätten dazu viele Jahrhunderte Zeit gehabt«, sagte Cazzira; dabei beließen sie es und machten sich wieder auf die Suche.
An der Tunnelöffnung zu der Vorhöhle stieß Brynn auf die nächste Überraschung. »Der gehörte aber keinem Pauri«, rief sie und hielt einen längeren und schmaleren Oberschenkelknochen in die Höhe, der ebenfalls auf einer Seite verkohlt war. Er lag inmitten einer Ansammlung anderer, größerer Knochen, die, teils verbrannt, teils zersplittert, offenbar von einem Menschen stammten.
»Hier unten sollen Menschen und Pauris sich eine Schlacht geliefert haben?«, fragte Cazzira.
»Aber warum hätten sie die Überreste eines menschlichen Skeletts zurücklassen sollen?«, fragte Brynn. »Vielleicht gehörten sie einem Verräter, der seinen Clan an die Zwerge ausgeliefert hat?«
»Ihr stellt zu viele Vermutungen an«, wollte Cazzira sie zurechtweisen, als sie von einem überraschten Ausruf Juraviels jäh unterbrochen wurde, der die Vorhöhle bereits wieder verlassen hatte, um den Beginn des dahinter liegenden unterirdischen Ganges zu erkunden. Als er aus der völligen Dunkelheit, die dort herrschte, wieder hervorkam, hielt er ein etwa armlanges Holzstück in der Hand.
»Was ist das?«, fragte Cazzira.
»Schwarzfarn«, antwortete Brynn, nachdem sie das Holz untersucht und die feinen Silverel-Adern entdeckt hatte, die sich darum rankten. »Dieses Stück hier hat zu einem Bogen gehört, einem Bogen der Touel’alfar.«
Juraviel drehte es um, sodass man eine winzige Signatur erkennen konnte. »Er trägt das Siegel Joycenevials, meines Vaters«, erklärte er. »Dieser Bogen hat einem Hüter gehört – und zwar diesem dort«, sagte er, auf die menschlichen Überreste deutend. Er betrachtete das Siegel und durchforstete sein Erinnerungsvermögen bis in die entlegensten Winkel.
»Emhem Dal«, entschied er wenige Augenblicke später. »Neige dein Haupt, Brynn Dharielle, denn hier vor dir liegt die letzte Ruhestätte Emhem Dals, ausgebildet vor mehr als dreihundert Jahren von den Touel’alfar, um in seine Heimat To-gai zurückzukehren.«
»Und was heißt das?«
»Das heißt, dass er es nicht bis zurück in seine Heimat geschafft hat«, sagte Cazzira.
»Und dass sein Schwert, Flammentänzer, ebenfalls irgendwo hier verloren gegangen sein muss«, fügte Juraviel hinzu. Als er dabei Brynn ansah, verengten sich seine goldenen Augen zu schmalen, entschlossenen Schlitzen. »Bist du bereit, dir dein Hüterinnenschwert zu verdienen, Brynn Dharielle?«
Sie erwiderte fest seinen Blick, dann nickte sie wild entschlossen.
»Wenn es der Lindwurm hat, werdet Ihr es höchstwahrscheinlich nicht wiederfinden«, beeilte sich Cazzira einzuwerfen. »Seht doch nur, welche Verwüstungen diese Bestie angerichtet hat.« Dabei deutete sie mit ausladender Geste auf die Berge verkohlter und zersplitterter Knochen. »Seht doch selbst, welches Schicksal den letzten Hüter ereilt hat, als er dem Drachen gegenüberstand!«
»Das war vor sehr langer Zeit«, wandte Brynn ein. »Ist es überhaupt möglich, dass der Drache noch lebt?«
»Das werden wir herausfinden«, lautete Juraviels Antwort; sein Ton war ernster und aufgewühlter, als Brynn es je bei ihm erlebt hatte. Der Anblick der sterblichen Überreste Emhem Dals hatte ihn sichtlich mitgenommen.
Cazzira machte den Vorschlag, in die Stadt zurückzukehren und nach weiteren Hinweisen zu suchen, doch Juraviel zog es mit energischen Schritten tiefer in den Gang hinein.
Sich ganz auf ihre Instinkte verlassend, folgten sie zuerst der Wärme, deren gleichmäßige Zu- und Abnahme sie deutlich unter ihren Füßen spürten, anschließend dem Rauch, der von heißen Aufwinden
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