Schattenelf - 4 - Feuerzauber
behrenesischen Marschkolonne her, wodurch sich die Zahl ihrer vernichteten Gegner in dieser Nacht mehr als verdoppelte. Zu ihrer großen Zufriedenheit sah Brynn die behrenesischen Krieger in Scharen ihre vorgeschriebene Marschroute verlassen und, offenbar aus Bardohs Armee desertierend, in nördliche und südliche Richtung fliehen.
Darin lag ihre Stärke, die Stärke To-gais, erkannte die junge Hüterin. Weder sie noch ihre Kommandanten hätten jemals einen so großen Teil der eigenen Leute zurückgelassen, nur um ein Ziel zu erreichen. Yatol Bardoh dagegen waren seine Krieger, außer als Mittel zur Durchsetzung seiner Ziele, vollkommen gleichgültig. Brynn wusste nur zu gut, dass die Ablehnung dieser zum Scheitern verurteilten Einstellung unter ihren Kriegern großen Beifall fand.
15. Die Kriegslist des Drachen
Brynn stand auf der westlichen Mauer von Avaru Eesa, den Blick in die Wüste gerichtet, auf eine noch ferne Wolke aufgewühlten Sandes. Zum wiederholten Mal fragte sie sich, ob ihre Entscheidung richtig gewesen war, hier auszuharren und ihren Gegner noch einmal zu attackieren, bevor sie wieder in der Wüste untertauchte. War es der Hass auf Yatol Bardoh, der sie dazu trieb? Hoffte sie auf eine Gelegenheit, die Ermordung ihrer Eltern zu rächen? Und wenn ja, ging sie mit der Suche nach dieser Gelegenheit nicht ein viel zu großes Wagnis ein?
Die Hoffnung, dass Pagonel, wie abgesprochen, rechtzeitig mit dem Hauptteil ihrer Armee eintreffen würde, machte ihr wieder Mut. Unter dieser Voraussetzung, und solange ihre Vermutung über Bardohs Reaktion auf den Verlust von Avaru Eesa sich als korrekt erwies, schien das Vorhaben nicht mehr ganz so waghalsig.
Gedankenverloren stand sie auf der Mauer und grübelte über diese Dinge nach, als sie Besuch von einem Gefährten erhielt, mit dem sie überhaupt nicht gerechnet hatte. Brynn fuhr erschrocken herum, denn sie hatte Pherol schon längere Zeit nicht mehr in seiner Gestalt als Echsenmann gesehen. Ihr fiel sofort auf, dass der Drache leicht hinkte.
»Ihre Pfeile haben dir offenbar zu schaffen gemacht«, stellte sie fest.
»Es bedarf schwererer Geschütze als Pfeile, um einen Pherol vom Himmel zu holen«, beruhigte sie der Drache.
Brynn nickte und wandte sich wieder der Sandwolke zu. »Unsere Feinde«, sagte sie.
»Unsere?«
Die junge Hüterin drehte sich um und musterte den Drachen. Seine Bemerkung überraschte sie, auch wenn sie bei genauerem Nachdenken durchaus verständlich war, denn im Grunde schien es Pherol völlig egal zu sein, wen oder was er vernichtete.
»Ich werde dich schon bald bitten müssen, dich noch einmal ihrem Pfeilhagel auszusetzen«, sagte sie. »Ich brauche dich, um Yatol Bardoh davon zu überzeugen, dass wir nach Osten zu fliehen versuchen.«
Der Drache nickte abwesend, als ginge ihn das alles nichts an.
»Ich habe die Absicht, seine Truppen um die Stadt herumzulocken«, setzte Brynn zu einer Erklärung an, doch dann hielt sie inne, als sie merkte, dass der Drache ihr gar nicht zuhörte. »Das alles interessiert dich überhaupt nicht, hab ich Recht?«
Pherols Blick verengte sich, während er sie eingehend musterte.
»Du machst eigentlich gar keinen Unterschied zwischen uns – zwischen mir und meinem Volk und den Behrenesern, stimmt’s?«
Der Drache blinzelte, zeigte ansonsten aber keine Reaktion.
»Hätte ein Verbündeter der Behreneser dich in deiner Höhle gefunden, würdest du jetzt statt für mich auf ihrer Seite kämpfen, hab ich Recht?«
Wieder dieses Blinzeln.
»Oder ist es eher so, dass du gar nicht für mich kämpfst?« Brynn dachte einen Moment darüber nach. »Im Grunde kämpfst du nur für dich selbst und für nichts und niemanden sonst. Ich habe dir ein Angebot gemacht, das du für annehmbar hieltest, also sind es eben die behrenesischen Soldaten, die in deinen Flammen verglühen.« Sie unterbrach sich, sah den Drachen durchdringend an und wartete, bis sie seine volle Aufmerksamkeit hatte. »Verstehst du eigentlich nicht, warum ich diesen Krieg führe?«
»Ich begreife die Kriege der Menschen nicht, und es liegt mir nichts daran, sie zu begreifen«, antwortete der Drache nach einer Weile. »Du kämpfst für deine Freiheit.« Er zuckte so übertrieben mit den Schultern, dass sein Kopf fast zwischen seinen mächtigen, muskulösen Schultern zu verschwinden schien. »Mir kommt es unsinnig vor, dass Menschen sich überhaupt gegenseitig unterwerfen wollen. Ihr seid eine merkwürdige Rasse – und eine mindere, nach
Weitere Kostenlose Bücher