Schattenelf - 4 - Feuerzauber
Drache wissen. »Schlagen wir unsere Feinde gleich hier und jetzt in die Flucht, damit dieser Unfug endlich ein Ende hat!«
»Du kannst dich ja selbst kaum auf den Beinen halten«, erwiderte Brynn, worauf der Drache, dessen Verletzungen ihm noch immer zu schaffen machten, wütend knurrte.
»Es wäre nicht der richtige Moment«, erklärte Brynn.
»Eine günstigere Gelegenheit wird sich wohl kaum ergeben«, konterte Pherol. »Sie verfolgen uns, so als würdest du ihnen selbst befehlen, wohin sie marschieren sollen.«
Brynn vermochte die Richtigkeit seiner Beobachtung nicht abzustreiten, also versuchte sie es auch gar nicht erst. Sie hatte nicht die Absicht, dem Drachen vom Geist Yakim Douans zu erzählen. Pagonel hatte ihr versichert, der Chezru-Häuptling könne den Stein unmöglich zum Schaden einer Bestie von der Größe Pherols einsetzen. Schon der Versuch, sich eines so mächtigen Drachen wie Pherol zu bemächtigen, würde den Mann vermutlich umbringen. Trotzdem hatten Pagonel und Brynn sich darauf verständigt, dass sie nun, da das Kriegsglück im Begriff war, sich gegen sie zu wenden, und sie den Drachen häufiger für alltägliche Aufgaben benötigten, ein wachsames Auge auf Pherol halten mussten.
»Unsere Feinde werden auch künftig Fehler machen, und diese Fehler werden wir auch künftig zu nutzen wissen«, erklärte Brynn wenig überzeugend.
Wieder gab Pherol ein leises Knurren von sich.
»Ich brauche dich. To-gai braucht dich, jetzt mehr als je zuvor«, sagte Brynn. »Nimm dir jede Nacht, wenn du auf Vorratssuche gehst, ein wenig Zeit, sammle zwei große Felsbrocken ein und wirf sie aus großer Höhe, außer Reichweite der großen Speerwerfer, über unseren Feinden ab.«
Sie wusste, dass sie ihm wenigstens ein bisschen Spaß lassen musste, auch wenn sie sich darüber im Klaren war, dass solche Extratouren ihnen vermutlich wenig einbringen würden. Felsbrocken auf eine brennende Stadt zu werfen, war eine Sache, aber ein Ziel von der Größe eines ausgedehnten Feldlagers wirkungsvoll zu treffen, war eher eine Frage des Glücks als der Geschicklichkeit. Und sollte der Drache im Zuge seines Bombardements in Hitze geraten und anzugreifen versuchen, würden die Behreneser ihn mit allen Mitteln bekämpfen.
Brynn wusste nur zu gut, dass ihr im Falle des Verlusts von Pherol, des einzigen verlässlichen Nachschublieferanten ihrer Armee, nur zwei Alternativen blieben: Entweder musste sie es, gegen eine überwältigende Übermacht, zur Entscheidungsschlacht kommen lassen, oder sie musste in die Steppe To-gais zurückkehren und ihre Truppen in kleine, plündernde Banden aufspalten, von denen viele, das wusste sie, die Kämpfe schon bald einstellen würden.
An jenem Abend begab sich Brynn erst spät und obendrein voller Sorge und erschöpft zur Ruhe, so erschöpft, dass es ihr trotz allem gelang, ein wenig Schlaf zu finden, auch wenn er leicht und unruhig war.
Das sollte sich als Glück erweisen.
Es war etwas, das Pagonel nicht oft versuchte, denn es war beschwerlich und beunruhigend und machte ihn überaus verwundbar. Nichtsdestotrotz hielt der Mystiker es für wichtig, mit ihrem Gegner auf gleicher Augenhöhe zu bleiben und die Aktionen der Behreneser ebenso auszuspionieren, wie es der Chezru-Häuptling bei den To-gai-ru tat.
Der Mystiker wurde eins mit seinem Zentrum und konzentrierte sich ganz auf sein Chi, seine Lebensenergie. Dann ließ er diese Energie aus seiner körperlichen Hülle ins Freie entweichen und blickte auf sich selbst hinunter, wie er mit übereinander geschlagenen Beinen allein in seinem winzigen Zelt hockte, die Hände mit den Handflächen nach oben auf den Knien, das Gesicht ein Ausdruck vollkommener Gelöstheit.
Langsam befreite sich Pagonel aus seinem entspannten Körper und begab sich zur Außenwand seines Zeltes, ehe er, langsam höher steigend, durch das Zeltdach nach oben schwebte, sich umschaute und den Blick dann über das still daliegende Feldlager schweifen ließ.
Er bemerkte eine Gestalt, die aus dem Zelt unmittelbar neben seinem hervorgekrochen kam. Im ersten Moment dachte er sich nichts dabei, dann erkannte er plötzlich, dass sie sich zielstrebig fortbewegte, aber nicht in Richtung auf Pagonels Zelt, wie er zuerst angenommen hatte, sondern zum Zelt von Brynn Dharielle.
Auch das sollte sich als Glück erweisen.
Die schattenhafte Gestalt schlüpfte lautlos durch die Zeltöffnung und ließ sie gerade weit genug offen, um sich in der Dunkelheit drinnen
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