Schattenelf - 4 - Feuerzauber
absolut nicht hinnehmbarer Vorgang, dabei war es der Chezru-Häuptling selbst, der dieses grauenhafte Verbrechen an Merwan Ma verübt hat.« Er sah auf den schluchzenden Mann hinunter. »Und das hat er jetzt erkannt.«
»Lass ihn in Ketten legen und unter Bewachung stellen«, befahl Brynn.
»Die Gefahr dürfte weitgehend ausgestanden sein«, erwiderte der Mystiker.
»Aber was ist morgen?«
Sie hatte noch nicht zu Ende gesprochen, als Pagonel bereits den Kopf schüttelte; offenbar hatte er diese Frage erwartet. »Es ist nicht so einfach, sich eines Körpers zu bemächtigen, nicht einmal für die im Umgang mit dem Seelenstein äußerst geschickten Abellikaner-Mönche. In seinem verwirrten Zustand hatte Merwan Ma der Stimme Gottes eine Möglichkeit gegeben, in seinen Geist einzudringen. Aber nun hat er die Wahrheit erkannt und wird wachsamer sein; außerdem werde ich ihm zeigen, wie man sich gegen diese Übergriffe wehrt.«
Nachdem Brynn mit einem Nicken ihr Einverständnis bekundet hatte, half der Mystiker Merwan Ma wieder auf die Beine und geleitete den Mann nach draußen und wieder zurück in sein eigenes Zelt. Er gab ihm ein paar Verhaltensmaßregeln und erklärte ihm einige geistige Übungen, mit denen er sich gegen den Übergriff des fremden Geistes wehren konnte, sollte dieser noch einmal zurückkommen. Dann beorderte er eine Doppelwache vor das Zelt des Geistlichen und kehrte in sein eigenes zurück, um über diese jüngsten beunruhigenden Entwicklungen nachzudenken.
Dort in der Dunkelheit, versunken in seine geistigen Betrachtungen, dachte Pagonel noch einmal über die glückliche Fügung nach, dank derer eine Katastrophe gerade noch hatte verhindert werden können. Er überlegte, welche Gründe sich für Merwan Mas völliges Unvermögen anführen ließen, den ihn bedrängenden Geist abzuwehren. Denn Pagonel hätte nicht die geringste Mühe gehabt, Yakim Douan zurückzuweisen, und Brynn hätte dafür höchstens ein paar Sekunden benötigt.
Dazu war nicht mehr als ein wenig geistige Disziplin erforderlich sowie die Einsicht, dass eine solche Tat ein übles Verbrechen war.
Pagonel schlug die Augen auf, den Blick starr nach vorn gerichtet, und sah die Erklärung plötzlich vor sich. Sie war so einfach und fundamental, dass das einzig Überraschende an dieser Erkenntnis der Umstand war, dass er nicht schon früher darauf gekommen war – und Merwan Ma offensichtlich auch nicht. Er löste sich aus seiner Meditationshaltung und eilte nach draußen, vorbei an den Wachen vor Merwan Mas Zelt, und traf den Mann mit leerem, hoffnungslosem Blick auf dem Boden sitzend an.
»Erzählt mir von der Transzendenz«, bat ihn der Mystiker.
Brynn bediente sich aller Tricks, die ihr oder ihren Kommandanten einfielen. Sie fingen Blinkzeichen ab und schleusten eigene in die Signalstrecken ein, so dass sie ihre hartnäckigen Verfolger mehrmals von ihrem Kurs abbringen konnten.
Als sich wieder einmal eine dieser günstigen Gelegenheiten bot – sie marschierten gerade ungehindert über die Nordstraße, die Dharyan mit der Oase Dahdah verband –, beschloss die junge Hüterin, sich noch weiter nach Norden in die Vorberge des Großen Gürtels zu begeben, da ihre Krieger dort mehr Ruhe und mehr Vorräte für sich und ihre Tiere finden würden. Außerdem, so der Gedanke, würde es dem Chezru-Häuptling zwischen den schroffen Felsen und Schluchten der steilen Vorberge erheblich schwerer fallen, ihr Lager aufzuspüren, sollte er sie dort tatsächlich suchen.
Auf diese Weise gelang es ihnen, als der Sommer des Jahres des Herrn 844 nach abellikanischer Zeitrechnung in den Herbst überging und Brynns Aufstieg zur Anführerin des to-gai-ruschen Rebellenaufstands sich zum zweiten Mal jährte, ihre Verfolger Shauntil und Yatol Bardoh mehrere Wochen lang abzuschütteln.
»Es waren zwei erfolgreiche Jahre«, sagte Brynn zu Pagonel und einigen anderen, als sie eines Abends am Lagerfeuer zusammensaßen. »Wir haben Behren hart zugesetzt, härter, als jeder Einzelne von uns zu hoffen gewagt hätte.«
»Es waren gerade mal anderthalb gute Jahre«, erwiderte der ewig unzufriedene Tanalk Grenk. »Und jetzt verkriechen wir uns, während die Turbane die Schlinge um unseren Hals immer enger ziehen.«
Brynn vermochte dem nur wenig entgegenzusetzen. Sie hatten den Sommer über ein paar unbedeutende Scharmützel gewonnen, meist gegen Nachschubkarawanen, aber die Siege waren selten und weit gestreut gewesen und stets mit dem Wissen
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