Schattenelf - 4 - Feuerzauber
Geschichte hervorgehen würden, müsste Douan allein schon wegen der Länge der Reise den größten Teil eines Jahres auf ihre womöglich dringend benötigte Unterstützung verzichten.
Aber wie konnte er dem Kaliit diese Bitte abschlagen? Die Chezhou-Lei waren den Yatols, allen voran dem Chezru-Häuptling, in unverbrüchlicher Loyalität zugetan, und sie verlangten nur wenig als Gegenleistung. Des weiteren galten Stolz und Ehrgefühl bei den Chezhou-Lei als wichtigste Tugenden. Wenn sie sich jetzt von ihren verhassten Feinden, den Jhesta Tu, gedemütigt fühlten, mussten sie schon um ihres eigenen Selbstverständnisses willen losmarschieren und Vergeltung üben. Wenn er ihnen dies jetzt verböte, würden sie gehorchen, das wusste Yakim Douan. Die Frage war nur, welchen Preis sie – aber auch er – dafür würden bezahlen müssen. Was mochte es kosten, den Chezhou-Lei die Wiederherstellung ihrer Ehre zu verweigern?
Erschöpft rieb der Chezru-Häuptling sich die müden Augen.
Und was, wenn Kaliit Timig mit seiner Vermutung Recht hatte, die Jhesta Tu seien an der Schlacht bei Dharyan beteiligt gewesen? Was, wenn dieser alte Orden im Begriff war, sich mit den To-gai-ru gegen die Yatols zu verbünden? Douan wusste nur zu gut, dass er in den Augen der ketzerischen Jhesta Tu nie als Halbgott gegolten hatte. Die Religion Yatols hatte ihrer merkwürdigen Weltanschauung schon lange vor seinem Aufstieg in die Position des Chezru-Häuptlings keinerlei Toleranz entgegengebracht. Einmal, während einer früheren Inkarnation als Chezru-Häuptling, hatte er in einer Art Friedensangebot durchblicken lassen, er werde möglicherweise den Versuch unternehmen, den unüberwindbaren Graben zwischen Yatols und Jhesta Tu zu überbrücken. Der Gedanke war auf allseitige Ablehnung gestoßen, ehe er auch nur zu irgendwelchen, über die Tempelmauern Jacinthas hinausreichenden Aktivitäten führen konnte, da Douan um ein Haar allein schon wegen seines Vorschlags von seinen eigenen Priestern gestürzt worden wäre.
Denn die Jhesta Tu waren den Yatols ebenso abgrundtief verhasst wie den Chezhou-Lei-Kriegern. Es war ein Konflikt, aus dem Douan sich nicht ohne weiteres würde heraushalten können.
Wollte Yakim Douan seine Chezhou-Lei-Krieger überhaupt zurückhalten? Wenn der Kaliit Recht hatte, was hieße das dann für ihn? Die Jhesta Tu, rätselhaft und mächtig, spielten eine etwas unheimliche Rolle in dieser Welt, und Douan bezweifelte keineswegs, dass sie, wenn sie es darauf anlegten, brandgefährliche Meuchelmörder sein konnten. Wenn die Mystiker sich tatsächlich der Sache der To-gai-ru angenommen hatten, war er, das Oberhaupt der behrenesischen Eroberer, dann überhaupt noch sicher?
Das war ein weiteres Problem, das Yakim Douan sich ausgerechnet jetzt, da er sich nichts sehnlicher wünschte als Frieden und Stabilität, nicht aufbürden wollte. Aber wie bei so vielen anderen Problemen auch, konnte er es schlecht ignorieren.
Plötzlich wurde ihm klar, was er zu tun hatte.
In dem Augenblick, da Meister Mackaront von St. Entel in ihre Runde trat, wussten Yakim Douan und Merwan Ma, dass im Bärenreich etwas Schreckliches passiert sein musste.
»Olin ist tot?«, fragte der Chezru-Häuptling einem ersten Reflex folgend, nur um sich gleich darauf, kaum waren ihm die Worte herausgerutscht, wegen dem für ihn untypischen Verlust der Fassung verärgert auf die Lippe zu beißen. Es war einfach bloß ein Gedanke gewesen, eine Reaktion auf Mackaronts besorgten Gesichtsausdruck, doch als Stimme Gottes von Behren und unumstrittenes Oberhaupt der Yatol-Religion geziemte es sich für Douan nicht, Vermutungen anzustellen.
»Nein, Chezru«, antwortete Mackaront, offenbar ebenso verwirrt wie Merwan Ma, der seinem geistigen Führer einen befremdeten Blick zuwarf.
Ein Blick, wie ihn Yakim Douan sich von einem Mitglied seiner Gemeinde ganz gewiss nicht wünschte.
»Das Abtkollegium hat Meister Fio Bou-raiy von St. Mere-Abelle zum Nachfolger des ehrwürdigen Vaters Agronguerre bestimmt«, erklärte Mackaront.
»Abt Olin ist tot«, wiederholte Douan noch einmal, und diesmal war es eine unverrückbare Feststellung, keine Frage. »Seine Stellung innerhalb der Kirche ist geschwächt, denn er hat den Zenit seiner Macht überschritten. Sein weiterer Weg steht unverrückbar fest, und zwar bis zum Ende.«
Mackaront atmete schwer; er hatte offensichtlich Mühe, Haltung zu bewahren.
Yakim Douan musterte ihn und den unmittelbar neben ihm stehenden Merwan
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