Schattenelf - 5 - Die Unterwerfung
Trümmern lagen.
»Hinter diesem Verrat steckt Jilseponie«, ereiferte sich Herzog Kalas, nachdem er auf seinen Platz an König Aydrians Seite zurückgekehrt war. »Ihr habt die Einflussmöglichkeiten dieser Hexe unterschätzt, und jetzt stehen wir vor verschlossenen Toren!«
»Vielleicht ist es eher ein Grund, ihr dankbar zu sein«, bemerkte Marcalo De’Unnero, worauf ihn der Herzog und alle Übrigen erstaunt ansahen.
»Wenn sich das gesamte Königreich bereitwillig auf König Aydrians Seite schlägt, bevor Prinz Midalis von Vanguard aus nach Süden marschieren kann, ist der Krieg vielleicht vorüber, ehe er überhaupt angefangen hat«, überlegte der Herzog. »Es wäre für uns alle besser, wenn –«
»Fürchtet Ihr einen Kampf so sehr?«, fiel ihm De’Unnero ins Wort. »Vielleicht erweist sich Palmaris ja als unschätzbare Lektion für den Rest des Königreiches. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir den Menschen dieses Landes vor Augen führen, welch hohen Preis sie zahlen müssen, wenn sie sich gegen König Aydrian Boudabras stellen.«
Damit erntete er bei den Männern, die sich in Hörweite befanden, manch zustimmendes Kopfnicken, so dass Kalas von seiner Argumentation abließ und sich, auf Befehle wartend, Aydrian zuwandte.
Aydrian schien ihn mit seinen blauen Augen zu durchbohren, so als wollte er ihn an seine Begegnung mit dem Tod erinnern, an seine Reise in das Reich der Finsternis, aus dem Aydrian ihn wieder ins Leben zurückgeholt hatte. Diese Augen waren es, die Kalas zutiefst davon überzeugt hatten, dass Aydrian, und nicht etwa die erbärmliche abellikanische Kirche, im Besitz des Geheimnisses des Lebens nach dem Tode war.
»Lasst die Truppen gegen die Stadtmauer vorrücken, Herzog Kalas«, befahl Aydrian. »Öffnen sie die Tore nicht, werden wir sie aufbrechen.«
Der Herzog nickte gehorsam, dann gab er seinem Pony die Sporen, rief seine Kommandeure zusammen und traf Vorbereitungen für die erste Angriffswelle.
Die ganze Zeit über hatte sich die etwas abseits stehende Sadye still verhalten, nicht jedoch, ohne das Geschehen aufmerksam zu verfolgen, um sich ein genaues Bild von Aydrian zu machen. Sie hatte die Stärken des jungen Königs sofort erkannt und sah, welche Visionen er verfolgte. Er war allen in seiner Umgebung, auch De’Unnero, derart überlegen und sich seines Weges, der ihn zu noch größerem Ruhm führen würde, so gewiss, dass er nichts und niemanden fürchtete. Er war der wahre König des Bärenreiches und über dessen Grenzen hinaus, weshalb alle Welt das Haupt vor ihm neigen sollte.
Sadye atmete tief durch; sie konnte kaum glauben, welche Gedanken ihr soeben durch den Kopf geschossen waren. Aufmerksam betrachtete sie Aydrian, seine stechenden blauen Augen, die unter dem goldenen Rand seines Helms hervorspähten, sein blondes Haar, das darunter zum Vorschein kam. Sie betrachtete seine Rüstung, die prächtigste, die man sich nur vorstellen konnte, und wusste, dass der Mann, der sich unter diesen Metallschichten verbarg, sogar noch prachtvoller war.
Als sie sich endlich von ihren Schwärmereien losriss, fiel ihr an dem jungen, starken Aydrian noch ein anderer Zug auf, ein Ausdruck in seinen Augen, der kaum zu übersehen war. Ein leichter Anflug von Bedauern womöglich?
In diesem Moment setzte das Schmettern der Trompeten ein, und Tausende Infanteristen der Kingsmen begannen ihren Vormarsch auf die Stadt.
Sadye nahm ihre Laute zur Hand und begann zu spielen – ein Schlachtenlied.
Bischof Braumin beobachtete die anrückenden Truppen in bedrückter Stimmung. Jetzt gab es kein Zurück mehr, keine Reden, die man noch hätte halten können. Er hatte den Bewohnern von Palmaris die Wahrheit offen ins Gesicht gesagt, und die Menschen hatten sich entschlossen, dem jungen König Paroli zu bieten. Jetzt war der Augenblick gekommen, ihrem Entschluss Taten folgen zu lassen.
Die Soldaten rückten weiter vor; hinter der vordersten Linie hatten die Ritter der Allhearts, nahezu einhundert Mann stark, ihre kräftigen Ponys im Zentrum einer größeren Kavallerieformation zusammengezogen.
Auf der Mauer von Palmaris wurden ein paar vereinzelte Pfeile abgeschossen, ohne jedoch ihr Ziel, die noch viel zu weit entfernte Streitmacht, zu erreichen. Bischof Braumin wollte dem wirkungslosen Beschuss bereits Einhalt gebieten, überlegte es sich dann aber anders. Er wusste, die Männer waren nervös.
Von den Turmkatapulten segelten einige brennende Pechkugeln in hohem Bogen aus der
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