Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
bevor diese ebenfalls ein Opfer der Flammen wurden. Dann stärkte sie den Schutzschild ihres Serpentins und rannte quer über den Hafenkai auf das gegenüberliegende Schiff.
Ein Pfeil sirrte vorbei und verfehlte nur knapp ihren Kopf, doch Pony hielt unbeirrt auf die Mitte des offenen Decks zu. Dort bemerkte sie einen Matrosen, der an Bord zurückgeblieben war – und womöglich war er nicht der Einzige.
Aber sie durfte nicht zögern, nicht jetzt, da die Insel zum Leben erwachte und sämtliche Soldaten in Alarmbereitschaft waren.
Im nächsten Moment ging das zweite Schiff in Flammen auf. Ein Matrose stürzte sich, vollständig eingehüllt von züngelnden Flammen, vom brennenden Deck ins Wasser.
Sofort verließ Pony das brennende Schiff. Wieder rief sie den Bernstein auf den Plan und löste den Serpentinschild im selben Moment auf. So schnell es irgend ging, lief sie zum Ufer und zum dritten und damit letzten Schiff hinüber, dem im Trockendock, das sie ebenfalls rasch den alles verschlingenden Flammen des Rubins übergab.
Anschließend rannte sie den Strand hinunter, watete ins eiskalte Wasser hinaus und näherte sich dem zweiten lichterloh brennenden Schiff, um den Matrosen zu finden, der brennend über Bord gesprungen war. Sie entdeckte ihn halb tot in der Brandung treibend. Behutsam schob sie einen Arm unter seinen Brustkorb, drehte ihn auf den Rücken und schleppte ihn langsam um den Bug des Schiffes herum, außer Sichtweite von Hafenkai und Ufer.
Pony holte ihren Hämatit hervor. Sie wusste, es war Wahnsinn, aber sie brachte es einfach nicht über sich, den bedauernswerten Mann seinen unvorstellbaren Schmerzen zu überlassen. Sie zog ihn ganz dicht an ihren Körper, versenkte sich in ihren Seelenstein, rief dessen Heilkräfte auf den Plan und ließ diese unter Aufbietung ihrer gesamten Energie in den Sterbenden hineinströmen. Schon fühlte sie, wie sein Geist ihr zu entgleiten drohte, doch sie stürzte sich hinter ihm den dunklen Schlund hinab, rief ihn und versuchte ihn einzuholen.
Plötzlich schlug der Mann die Augen auf, keuchte und spuckte Wasser.
»Merk dir eins: Dein Überleben hast du ausnahmslos Prinz Midalis’ Barmherzigkeit zu verdanken«, sagte sie. »Er ist der rechtmäßige König des Bärenreiches, der auf dem Höhepunkt seiner Macht zurückkehren wird, um Aydrian zu besiegen. Erkläre deinen Freunden, dass ihn das Blut schreckt, das noch vergossen werden muss, bis er wieder den Thron besteigen kann, der rechtmäßig ihm gehört.«
Dann stützte sie ihn, bis er sich aus eigener Kraft auf den Beinen halten konnte, und drehte ihn zum Strand herum. Erst jetzt bemerkte sie, dass zwei weitere Soldaten sie beobachteten – mit gespannten Bögen.
Sie sah die beiden eindringlich an. Die Soldaten hatten jedoch nur Augen für ihren auf wundersame Weise geheilten Kameraden, der auf sie zugewatet kam, und senkten ihre Bögen. Einer von ihnen ging ihm ein Stück entgegen, um ihm an Land zu helfen, während der andere sich mit einem Nicken bei Pony bedankte.
Sofort watete sie wieder hinaus in die Dunkelheit und holte noch einmal den Bernstein hervor, um sich mit dessen Hilfe aus dem eiskalten Wasser zu erheben.
Hinter ihrem Rücken hörte sie das Surren der Katapulte und das Schwirren der brennenden Pechkugeln, die hoch über ihrem Kopf dahinschossen, ehe sie zischend im Wasser versanken.
Über all dem Chaos vernahm sie deutlich eine einzelne Stimme. Soeben erteilte Prinz Midalis den Befehl, unverzüglich in See zu stechen. Unterlegt wurde seine Stimme von Bradwardens Flötenspiel, das die Männer mit einer mitreißenden Melodie zur Eile antrieb.
Pony behielt ihre Position im Schutz der Dunkelheit bei und beobachtete das Geschehen. Sie zuckte zusammen, als eines der in See stechenden Schiffe von einem lodernden Geschoss getroffen wurde. Augenblicke später drangen die über die dunklen Wogen hallenden Schreie an ihr Ohr. Dann ging noch ein zweites Schiff in Flammen auf, diesmal offenbar aufgrund irgendeines Zwischenfalls an Deck – vermutlich beim Kampf um die Kontrolle über das Schiff. Kurz darauf hörte sie Hilferufe sowie ein vielfältiges Klatschen beim Aufprall auf der Wasseroberfläche, als die Männer sich von Bord des brennenden Schiffs stürzten, dazu die Rufe der Alpinadoraner, die Anweisungen in die Nacht hinausbrüllten, um ihre auf dem Wasser treibenden Stammesgenossen zu bergen.
Und wieder wurde ein Schiff von einem der Geschütze getroffen, eben jenes Flaggschiff, das Midalis
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