Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
Dharyan-Dharielles und ganz To-gais betraut, und dieser Auftrag hat Vorrang vor allen Erlassen. Dort leben Menschen aus ihrem Volk. Sie kann sie unmöglich einer tödlichen Gefahr aussetzen.«
»Legt die Verträge aus, wie Ihr wollt«, sagte Abt Olin warnend, »aber brecht Ihr den Vertrag, so tut Ihr dies auf eigene Gefahr. Dharyan-Dharielle trägt diesen Namen noch nicht lange, und von ihrem Ursprung her ist die Stadt – und war es stets – behrenesisch. Diese Tatsache ist in der Erinnerung jedes einzelnen Soldaten auf dem Feld zutiefst verwurzelt.«
»Eurer Meinung nach hätte Yatol De Hamman das Recht gehabt, an der Spitze einer Armee in Dharyan-Dharielle einzumarschieren?«, fragte Pagonel und wandte sich dabei ganz bewusst an Yatol Wadon.
Trotzdem war es wiederum Abt Olin, der ihm antwortete. »Das mag ein strittiger Punkt sein. Jedenfalls gibt der Vertrag Brynn Dharielle nicht das Recht, ihm den Zutritt zu verweigern.«
»Ich stimme insoweit zu, als der Wortlaut eines Vertrags respektiert werden muss«, sagte der Mystiker, ohne seinen Blick von Yatol Mado Wadon abzuwenden. »Sofern er dem beabsichtigten Zweck des Vertrages entspricht.«
Obschon er den Chezru-Priester nun doch, wenn auch kaum merklich, zustimmend nicken sah, verzichtete Yatol Mado Wadon darauf, ihm direkt zu antworten.
Pagonel wandte sich um, um sie alle nacheinander zu mustern. Yatol Sinseran war nicht sein Verbündeter, das sah er sofort, und auch Meister Mackaronts Einstellung schien sich nicht von der Abt Olins zu unterscheiden. Doch wieder war es Herzog Bretherford, der seine Aufmerksamkeit erregte. Der Mystiker konnte deutlich die innere Zerrissenheit hinter seinen müde wirkenden Augen erkennen.
Pagonel verabschiedete sich rasch, hielt sich nicht länger als unbedingt nötig in der Stadt auf und kehrte umgehend zu Belli’mar Juraviel zurück, der in den Vorbergen nördlich der Stadt auf ihn wartete.
Dort angekommen, setzte er ihn sofort ins Bild. »Abt Olins Verhalten dürfte sich so ziemlich mit allem decken, vor dem Ihr uns im Zusammenhang mit dem jungen König Aydrian gewarnt habt. Er wird bestimmt irgendeinen Vorwand finden, um Dharyan-Dharielle im Namen Behrens – seines Behrens – zurückzuerobern.«
»Aydrian ist vor allem eins: besessen von fast krankhaftem Ehrgeiz«, erwiderte der Elf.
»Aber wenn ein Führer seine Fühler so weit ausstreckt, könnte es durchaus sein, dass er Dinge in seiner unmittelbaren Umgebung vernachlässigt.«
»Bretherford, der Herzog des Mirianischen Ozeans«, erwiderte der Elf.
Pagonel sah ihn überrascht an.
»Ich war unten bei den Hafenanlagen und habe dort das Flaggschiff der Flotte Ursals gesehen«, erklärte Juraviel. »Zu Elbryans Zeiten, und auch später noch, zu Zeiten von Königin Jilseponie, Aydrians Mutter, haben wir Touel’alfar eine Menge über die Persönlichkeit der Armeeführer des Bärenreiches gelernt. Meine Herrscherin, Lady Dasslerond, fürchtete stets einen Angriff durch Jilseponies Hof, weil sie einfach nie begreifen konnte, was es mit dieser Frau tatsächlich auf sich hatte.«
»Demnach kennt Ihr Herzog Bretherford?«
»Ich habe von ihm gehört«, antwortete Juraviel. »Damals war er König Danube treu ergeben.«
»Und ist es gegenüber Aydrian vielleicht nicht.«
»Er hat sich in dem von Aydrian gesponnenen Netz verfangen«, sagte Juraviel. »Welche Wahl hatte Herzog Bretherford denn schon, als Aydrian den Thron mit Hilfe übermächtiger Truppen an sich riss?«
Pagonel lehnte sich gegen einen Felsen, dachte lange über diese Worte nach und verglich sie mit den Reaktionen und dem Mienenspiel, die er bei Herzog Bretherford beobachtet hatte. »Vielleicht könnten wir ihm ja eine Alternative bieten?«
»An Bord seines Flaggschiffs zu gelangen dürfte nicht allzu schwierig sein«, erklärte Juraviel. »Aber was wollt Ihr ihm sagen? Wollt Ihr die Verschwörung von Jilseponie und Prinz Midalis etwa offen legen?«
»Würde ich ihm damit etwas verraten, das Aydrian nicht längst weiß?«
Juraviel dachte einen Moment darüber nach. »Begeben wir uns hinunter zu den Felsen in der Nähe der Stadttore Jacinthas«, erklärte der Elf, hielt den Smaragd in die Höhe und reichte Pagonel die Hand. »Warten wir erst einmal ab, bis das Beiboot ihn auf sein Flaggschiff zurückbringt. Dann entscheiden wir, wie wir weiter vorgehen wollen.«
Der klare Himmel war übersät mit funkelnden Sternen, und die ruhige See schlug leise plätschernd gegen die Planken der
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