Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
sie sich nach seiner Rückkehr ausführlich über die Ereignisse im Königreich des Nordens unterhalten würden; anschließend geleitete er den Mystiker auf die Brüstung der östlichen Stadtmauer und forderte Pagonel auf, ihm seine Hand zu reichen.
Kaum hatte Juraviel Verbindung zu dem Smaragd aufgenommen, beobachtete Pagonel, wie der Boden unter seinen Füßen plötzlich in Bewegung geriet. Er folgte Juraviels Beispiel und trat mit einem entschlossenen Schritt über den Mauerrand. Plötzlich schien sich der Boden aufzulösen, und dann fand sich Pagonel weit im Osten Dharyan-Dharielles wieder, sogar noch östlich der behrenesischen Stellungen.
Pagonel sagte: »Ein erstaunliches Kunststück.«
»Der Smaragd verfügt über keine große Auswahl an magischen Kräften, aber bei allem, was er kann, entwickelt er eine ungeheure Kraft«, erwiderte der Elf. »Die Entfernungen verschieben sich ausschließlich für seinen Benutzer und die Personen in seiner unmittelbaren Umgebung, und auch nur dann, wenn sein Benutzer dies für diese Personen ausdrücklich wünscht. Nur wir beide konnten den Schritt über den Mauerrand wagen, denn nur wir beide waren überhaupt imstande, die Verschiebung wahrzunehmen.« Juraviel schloss die Augen, wiederholte die Kontaktaufnahme, und wieder schien die Landschaft unter ihnen dahinzufliegen, sodass er und Pagonel ihren nächsten meilenweiten Schritt zurücklegen konnten.
Auf diese Weise gelangten sie schließlich in die Vorberge außerhalb Jacinthas. Bis zum Morgengrauen blieben ihnen noch immer mehrere Stunden. Pagonel bat den Elfen, dort auf ihn zu warten, und begab sich auf den Weg hinunter in die Stadt.
»Wenn ich bis Sonnenuntergang nicht wieder bei Euch bin, kehrt Ihr zu Brynn zurück«, sagte der Mystiker.
»Das käme einer Kriegserklärung gleich«, erwiderte Juraviel. »Bei einer so wichtigen Angelegenheit werde ich Euch besser zwei Tage für Eure Rückkehr lassen.«
Pagonel war einverstanden. Er marschierte los und erreichte das Stadttor von Jacintha, gerade als die ersten Strahlen der Morgensonne im Osten über dem Horizont erschienen.
Da die Torwachen ihn wieder erkannten, wurde Pagonel nicht abgewiesen; sie weigerten sich jedoch, Yatol Mado Wadon und Abt Olin zu dieser frühen Stunde zu wecken, und zwangen ihn, mehrere Stunden tatenlos im Wachturm herumzusitzen. Schließlich geleitete man Pagonel quer durch die Stadt zum Palast Chom Deiru, wo man ihn erneut warten ließ – während die Herrschaften ihr Frühstück zu sich nahmen, so die offizielle Begründung.
Falls sie die Absicht hatten, den Mystiker nervös zu machen, hatten sie damit keinen Erfolg, denn Geduld war geradezu das Wesensmerkmal eines Jhesta Tu.
»Sieh an, es ist Pagonel persönlich«, begrüßte ihn Yatol Mado Wadon, als Pagonel schließlich in den Bereich der östlichen Galerie geleitet wurde. Die Gärten dort waren voller wunderschöner Blumen, überall hörte man Singvögel zwitschern, und die Bäume waren kunstvoll so platziert, dass stets ein ausgewogenes Verhältnis von Licht und Schatten herrschte. Ein Wasserfall ergoss sich plätschernd in einen kleinen Teich und sorgte für einen wohltuend feinen Dunst sowie eine angenehm kühle Luftfeuchtigkeit. Im Wasser tummelten sich bunte Fische, die meisten in den Farben Rot und Orange.
Um die zwei kleinen Tische saßen fünf Männer: Abt Olin und Mado Wadon, ein weiterer Yatol, den Pagonel nicht kannte, ein weiterer Abellikaner-Mönch sowie ein Soldat des Bärenreiches – von hohem Rang, wie der Mystiker aufgrund seiner vielfältig dekorierten Uniform vermutete.
»Hätten wir gewusst, dass der Jhesta Tu, der an unser Tor geklopft hat, ein Abgesandter Brynn Dharielles ist, hätten wir ein zusätzliches Gedeck auflegen lassen«, fuhr Yatol Wadon fort. »Bitte, nehmt Platz und leistet uns Gesellschaft. Ich werde sofort noch etwas zu essen bringen lassen.«
Pagonel hielt den Diener, der sich soeben entfernen wollte, mit ausgestrecktem Arm zurück. »Meine Zeit ist knapp. Ich bin nur auf einen kurzen Besuch aus Dharyan-Dharielle gekommen«, erklärte er. »Aus einer Stadt, die sich zurzeit im Belagerungszustand befindet.«
»Offensichtlich seid Ihr aufgebrochen, bevor mein – bevor unser – Gesandter dort eingetroffen ist«, warf Abt Olin ein. »Mit einer umfassenden Entschuldigung an Brynn Dharielle, dass es sich bei dem Angriff um ein entsetzliches Missverständnis gehandelt hat.«
»Nein, ich war zugegen, als Euer Gesandter Eure Nachricht
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