Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
hatten sie mit neun Schiffen entkommen können, und das bei eigenen Verlusten von gerade mal dreizehn Mann sowie einigen Leichtverletzten. Egal, wie man es betrachtete, der Überfall war ein kolossaler Erfolg gewesen.
Bis auf …
Wo war Pony? Sie war ihre wichtigste Verbündete, die schlagkräftigste Waffe in Midalis’ Arsenal und das Symbol der Hoffnung, das sie alle miteinander verband. Sie war von Pireth Dancard nicht wieder zurückgekehrt. Kapitän Al’u’met hatte die Signalfeuer auf sämtlichen Schiffen die ganze Nacht brennen lassen, und doch hatte sie – trotz ihres Bernsteins – nicht zu ihnen zurückgefunden.
»Möglicherweise wird sie in dem Turm gefangen gehalten«, murmelte Prinz Midalis und wandte sich dem fernen Pireth Dancard am nordöstlichen Horizont zu. »Ich würde sie nicht einmal gegen die gesamte Flotte Ursals eintauschen. Nicht gegen mein ganzes Königreich!«
Bradwarden gab dem Prinzen einen tröstlichen Klaps auf die Schulter. »Dann wär’s wohl an der Zeit, zur Insel zurückzusegeln und das Mädchen abzuholen«, sagte er, worauf sofort ein hoffnungsvolles Lächeln auf Midalis’ Gesicht erschien.
»Und dadurch die Reinheit ihres Opfers zu entwürdigen, wenn sie denn tatsächlich tot ist«, erklang hinter ihnen eine Stimme. Die drei drehten sich um und sahen den hünenhaften Andacanavar näher kommen. »Ihr verfügt über zwanzig alpinadoranische Barkassen, dieses prächtige Schiff hier sowie acht Kriegsschiffe aus Ursal, aber an Bord eines jeden davon befindet sich nur eine Rumpfmannschaft – und kaum Krieger, die für einen Kampf an Land gerüstet sind. Wenn wir tatsächlich angreifen, würden wir so manches Schiff durch die Katapulte verlieren und anschließend bei den Docks in eine offene Schlacht verwickelt werden. Seid Ihr wirklich so versessen darauf, alles für eine einzige Kriegerin aufs Spiel zu setzen? Denn wenn Ihr hier verliert, mein Freund, dann habt Ihr Aydrian nichts mehr entgegenzusetzen.«
»Und wenn ich bereit wäre, dieses Risiko einzugehen?«, erwiderte Prinz Midalis. »Würdet Ihr und Bruinhelde mir mit Euren Kriegern zur Seite stehen?«
»Die Entscheidung liegt nicht bei mir«, erwiderte der Hüter. »Aber an Eurer Stelle würde ich nicht davon ausgehen. Bruinhelde wird mich um Rat fragen, und dieser Rat wird lauten: Segelt zurück nach Pireth Vanguard.«
Al’u’met reagierte ziemlich überrascht und Midalis sogar mit unverhohlenem Ärger, doch Bradwarden nickte nur und verstärkte seinen Griff auf Midalis’ Schulter. Er verstand Andacanavar, konnte seine Beweggründe und Denkweise nachvollziehen. Andacanavar war ein Hüter, genau wie einst Elbryan, und beide hielten auch Pony für eine solche. Hüter hatten Verständnis für dieses erhabenste aller Opfer.
Und sie verstanden auch, dass es einer Entwürdigung des Opfers gleichkäme, wenn man sich anschließend für ein Vorgehen entschied, das den mit Hilfe dieses Opfers errungenen Sieg wieder gefährdete.
»Ich bin jedenfalls nicht bereit, den letzte Nacht erzielten Erfolg einfach wegzuwerfen«, erklärte der Hüter.
»Oder habt Ihr etwa Angst, Alpinadoraner für das Leben einer Frau aus dem Bärenreich zu opfern?«, machte Prinz Midalis seinem Ärger Luft.
Andacanavars Gesichtsausdruck war irgendwo zwischen Mitleid und Ernüchterung erstarrt. »Ich verstehe Eure Worte als den verzweifelten Hilferuf eines zutiefst verletzten Mannes«, sagte er. »Aber die Worte eines künftigen Königs sind es nicht. Ich rate sowohl Bruinhelde als auch Euch, von einem so unsinnigen Angriff abzusehen, um meiner Landsleute willen, sicher, aber auch um Eurer selbst und Eures Königreiches willen. Dort an Land gibt es Abellikaner-Mönche, und Euch fehlt die wichtigste Waffe gegen ihre Steinmagie. Schließt Euch mit Eurer Flotte Bruinhelde an, und segelt schleunigst zurück nach Vanguard, ehe Euch ein Wintersturm einholt und alle Eure Schiffe versenkt.«
»Ihr wollt sie tatsächlich einfach zurücklassen?«, fragte Midalis.
»Keineswegs, ebenso wenig wie dies vermutlich Bradwarden oder der gute Kapitän Al’u’met hier tun würde«, antwortete der Hüter. »Fahrt Ihr allein, und wenn Kapitän Al’u’met einverstanden ist, lasst Ihr die Saudi Jacintha das Gebiet um Pireth Dancard absuchen, um in Erfahrung zu bringen, was unserer verschollenen Freundin zugestoßen ist. Unter vollen Segeln segelt Kapitän Al’u’mets prächtiges Schiff schneller als alle anderen Schiffe Eures Flotten Verbandes. Hoffen wir, dass
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