Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
können.« Sie richtete den Blick auf Lozan Duk. »Als Ihr hier ankamt, sagtet Ihr, es sei Euch nicht gar so schwer gefallen, durch Yatol De Hammans Linien zu gelangen.«
Der Doc’alfar grinste bis über seine beiden spitzen Ohren. »Gebt mir zwei Nächte Zeit«, erwiderte er. »Dann werde ich jeden Winkel von Yatol De Hammans Feldlager in allen Einzelheiten auf einer Karte eingetragen haben. Wenn Juraviel seinen Aufbruch nur um wenige Stunden aufschieben könnte, könnten er und ich eine Menge meiner Landsleute herschaffen, die sich gegenwärtig zwischen der to-gaischen Hochebene und dem Pfad der sternenlosen Nacht befinden.«
Sie sahen sich an und nickten einander entschlossen zu. Die Versammlung wurde aufgelöst, und sie machten sich alle an ihre jeweiligen Aufgaben. Nur Pagonel blieb noch, um einen Moment mit Brynn unter vier Augen zu sprechen.
»Du wirst dich irgendwie absichern müssen, dass unsere Vermutung über Abt Olins Pläne richtig ist und dass er Dharyan-Dharielle tatsächlich angreifen und erobern will«, überlegte der Mystiker.
»Ich gehe davon aus, dass Pechter Dan Turk bei seiner Rückkehr alle meine Hoffnungen auf Frieden zunichte machen wird«, erwiderte Brynn.
Pagonel nickte, und Brynn sah die aufrichtige Bewunderung in seinen braunen Mandelaugen, dem charakteristischen Merkmal seiner to-gai-ruschen Herkunft. In diesem Moment wusste sie, dass sie die Situation in allen Punkten perfekt gehandhabt hatte – der Blick ihres größten Mentors ließ keine andere Deutung zu.
Doch ein neuerlicher Blick aus dem Fenster hinüber zu der überwältigenden gegnerischen Streitmacht machte ihr klar, dass das allein für einen Sieg bei weitem nicht genügen würde.
Sie schlug zum zweiten Mal die Augen auf und blinzelte in die Sonne – die Sonne im Land der Lebenden, aus dem Pony bereits für immer geschieden zu sein glaubte. Fest in mehrere warme Decken gewickelt, lag sie in einer Kajüte an Bord eines Schiffes – der Saudi Jacintha, erinnerte sie sich –, gleich neben dem einzigen Fenster der Kajüte.
»Willkommen an Bord«, begrüßte sie Andacanavar, der neben ihrem Bett kniete. »Wir dachten schon, Ihr wärt von uns gegangen. Ihr könnt Euch bei Bradwarden bedanken, dass er sich so gut mit den Steinen auskennt und sofort eingesprungen ist, um Euch zu helfen.«
Einen Augenblick lang klangen ihr seine Worte wirr durch den Kopf und beschworen noch einmal die Bilder jener furchtbaren Momente draußen an Deck herauf. Bradwarden! Sie hatte mit Hilfe des Seelensteins seine Lebensenergie angezapft. Sie hatte gleichsam in ihn hineingegriffen und seine Lebensenergie benutzt, als wäre es ihre eigene.
In einem Anflug von Panik versuchte sie den Oberkörper aufzurichten, doch der Schmerz und Andacanavars kräftiger Arm hielten sie zurück. »Bleibt ganz ruhig liegen, meine Liebe«, sagte der Hüter sanft. »Bis Vanguard sind es noch zwei Tage, und die werdet Ihr auch brauchen, mindestens, bis Ihr wieder bei Kräften seid.«
»Bradwarden?«, stieß Pony atemlos hervor. »Wo ist Bradwarden?«
»Draußen an Deck. Er ruht sich aus«, antwortete Andacanavar. »Der Kampf gegen Eure Verletzungen war ungeheuer quälend und hat ihn erschöpft – aber er ist schon wieder auf dem Weg der Besserung.«
»Es war bestimmt zu viel für ihn!«, beharrte Pony. »Sagt mir die Wahrheit. Er kann die Energieübertragung mit dem Seelenstein doch unmöglich überlebt haben!«
Andacanavar entfuhr ein verhaltenes Lachen. »Ihr habt ihm einiges abverlangt, das stimmt«, gab er ihr Recht. »Und es stimmt auch, dass wir alle dachten, wir hätten den Zentaur verloren – und obendrein auch noch Kapitän Al’u’met, als Bradwarden über ihn stolperte und auf ihn fiel. Aber Bradwarden ist zäh. Er hat sich schon wieder recht gut erholt, das könnt Ihr mir wirklich glauben.«
Pony schüttelte den Kopf. Das alles ergab keinen Sinn. »Zu viel«, widersprach sie kraftlos.
»Er erwähnte irgendwas von einem Armband«, sagte Andacanavar. »Einem roten Armband.«
Das ließ Pony etwas ruhiger werden. Die Gedanken, die ihr durch den Kopf wirbelten, die Fragen, die sich plötzlich darunter mischten, das alles ließ sie wieder neue Hoffnung schöpfen. Den Zauber des Armbands hatte sie vollkommen vergessen. Die Elfen hatten es Elbryan damals zum Geschenk gemacht, und schon bei einem Menschen hatte seine Heilmagie gut funktioniert. Bei dem Zentaur aber waren seine Kräfte über jedes Pony bekannte Maß hinausgewachsen. Als der Berg
Weitere Kostenlose Bücher