Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
der Angriff kam mitnichten unerwartet, daher hatte sie ihr Schwert zur Hand und wehrte die Attacke mit einer gekonnten Parade sowie einer leichten Drehung ab, gefolgt von einem kräftigen Schwung, der die Klinge ihres Gegners in die Nacht hinausbeförderte.
Der Kingsman machte Anstalten, erneut auf sie loszugehen, doch Pony blickte ihn drohend an. »Kommt zur Vernunft, mein Freund. Zwingt mich nicht, Euch zu töten.«
Der Mann wich einen Schritt zurück, so als merke er erst jetzt, dass ihm seine Waffe abhanden gekommen war, und hob die Hände abwehrend vor den Körper.
DePaunch, völlig verängstigt, beugte sich auf der gegenüberliegenden Seite des Daches über die Mauerbrüstung und schrie aus vollem Hals: »Zu den Waffen! Zu den Waffen! Wo steckt Ihr, Giulio Jannet!«
»Jedenfalls nicht dort, wo er Euch etwas nützen würde, Verräter«, rief Pony. DePaunch stieß einen spitzen Schrei aus und hastete, als Pony unbeirrt weiter auf ihn zuhielt, zur Seite hinüber.
»Erzählt mir von der Hinrichtung des Wachmanns Presso«, forderte Pony ihn auf. »Schildert mir in allen Einzelheiten, wie Ihr meinen alten Freund ermordet habt.«
»Ich bin ein Stellvertreter König Aydrians«, protestierte der Graf. »Ich bin Soldat in der Armee des Bärenreiches.«
»Ihr seid ein Ritter der Allhearts, der einen Eid darauf geschworen hat, das Haus Ursal zu beschützen!«, entgegnete Pony. »Eben jenes Haus, das diesen Mann zum König bestimmt hat!« Dabei deutete sie mit einer großen Geste auf den teils amüsiert, teils nervös wirkenden Prinz Midalis.
Dieser stand an der zertrümmerten Falltür und sagte, den Blick nach unten gerichtet: »Ich denke, wir werden schon bald Gesellschaft bekommen. Offenbar interessieren sich auch noch andere für uns.«
Seine Bemerkung schien Graf DePaunch den Rücken zu stärken – denn plötzlich straffte er die Schultern und bedeutete seinen Soldaten mit hektischen Bewegungen, sie sollten endlich etwas unternehmen.
Einer wollte dem sogar Folge leisten, doch Pony war schneller. Sie stürzte auf den Adligen zu und presste ihm ihr Schwert an die Kehle, während sie mit der anderen Hand in den Beutel mit den Edelsteinen griff. »Sagt Euren Soldaten, sie sollen verschwinden.«
»Helft mir!«, schrie er. »So helft mir doch, und bringt sie um!«
Prompt schnellte Ponys Hand zur Brust des Grafen, wo sie ihren Edelstein zum Einsatz brachte und dessen Kräfte zwang, DePaunch statt ihrer zu umschließen. Dank der magischen Schwebekräfte des Malachits seines Körpergewichts beraubt, stieg er erst auf die Zehenspitzen, ehe er, immer noch in Ponys Armen, vollends vom Boden abhob. Mit einem Achselzucken stieß sie ihn über die Turmbrüstung.
»Ganz recht, tötet mich«, sagte sie und wandte sich zu den anderen um.
Die drei Kingsmen sowie ein vierter, der soeben durch die Falltür nach oben gestiegen war, blieben unschlüssig stehen.
»Lasst sie in Ruhe!«, kreischte Graf DePaunch wie von Sinnen, mit Armen und Beinen rudernd. »Krümmt ihr kein Haar! Ihr dürft auf keinen Fall ihre Konzentration stören!«
Nachdem das geklärt war, bedeutete Pony den Männern, ihre Waffen fallen zu lassen und hinter die Falltür zurückzutreten.
»Ich verlange die Übergabe von Pireth Dancard an den rechtmäßigen König des Bärenreiches, Prinz Midalis Dan Ursal!«, rief sie DePaunch zu.
Dieser stammelte und stotterte, war jedoch zu verängstigt, als dass er ihr zu widersprechen gewagt hätte.
»Wenn Ihr von Eurem jungen König Aydrian tatsächlich so überzeugt seid, dann habt Ihr hier und jetzt Gelegenheit, meine Forderung zurückzuweisen!«, versuchte Pony ihn zu provozieren. »Sagt Euren Männern, sie sollen mich erschlagen, Graf DePaunch. Befehlt ihnen anzugreifen, im festen Vertrauen darauf, dass Ihr Eurem König mit Eurem Sturz in den Tod einen guten Dienst erweist.«
Der Laut, der über seine Lippen drang, hatte Ähnlichkeit mit einem Wimmern.
»Ich weise Eure Forderung zurück!«, erklang ein lauter Ruf von unten. Pony und Midalis beugten sich über den Turmrand und sahen einen Abellikaner-Mönch, umringt von Soldaten, am Fuß des Turms stehen. »Das Königreich ist der alleinige Besitz Aydrians, und die Kirche ist dem ehrwürdigen Vater Marcalo De’Unnero vorbehalten.« Der Mönch sah sich um, beorderte die Soldaten in den Turm und schien dort unten auch sonst jede Menge Verbündete um sich geschart zu haben, die alle bereit waren, den Grafen, falls nötig, zu opfern.
»Mit ein bisschen Geschick
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