Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
könnte ich DePaunch genau auf diesen Narren fallen lassen«, sagte Pony zu Midalis.
Der schloss ihre Finger mit seiner Hand. »Vergesst nicht, wer wir sind«, sagte er. »Setzt ihn wieder ab.«
Pony starrte ihn ungläubig an, aber Midalis war bereits zur Seite hinübergeeilt und hatte ein neben der Wurfmaschine am Boden liegendes Seil aufgehoben. Er warf dem Grafen ein Ende zu, ehe er, nachdem dieser es aufgefangen hatte, einmal kräftig daran zog, sodass der schwerelose DePaunch über die Turmbrüstung zurückgesegelt kam, wo Pony ihn von ihrem Zauber erlöste. Er landete hart auf dem Boden und rutschte aus, war jedoch sofort wieder auf den Beinen.
»Ein weiser Entschluss, Prinz Midalis«, sagte DePaunch, bemüht, seine Würde wenigstens teilweise wiederzuerlangen. »Vielleicht kann ich mich bei König Aydrian für Euch verwenden.«
Er hatte den Satz noch nicht ganz beendet, da traf ihn Midalis’ linker Haken schon mitten im Gesicht und schickte ihn wie einen Stein zu Boden.
»Überlegt genau, in welcher Lage Ihr Euch hier befindet, Graf DePaunch«, warnte ihn der Prinz. »Ihr seid völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Das Meer ist fest in meiner Hand – und bald auch das Königreich. Ich werde weder Euren Verrat noch den Mord an Wachmann Presse vergessen.«
»Der im Übrigen mein Freund war«, fügte Pony im Vorbeigehen mit einem zornigen Blick auf den sich am Boden windenden DePaunch hinzu. »Wir sprechen uns noch.«
Dann war es Zeit zu verschwinden, denn der Turm füllte sich bereits mit Soldaten, und selbst die drei Wachen auf dem Dach schienen ihr Selbstvertrauen zurückzugewinnen.
»Ihr solltet Eure Lage genau überdenken«, wandte sich Pony an sie, während sie das Schwert in die Scheide zurückschob und ihrem Beutel einen zweiten Edelstein entnahm der die Soldaten abermals erschrocken zurückweichen ließ. »König Danube ist tot, aber seine Familie lebt weiter. Aydrian gehört weder dieser Familie an, noch ist er der rechtmäßige König des Bärenreiches!«
Dann ergriff sie Midalis’ Hand, brachte ihren Malachit zum Einsatz, lief zur Mauerkante des Turms und sprang. Kaum waren sie in der Luft, nahm Pony Verbindung zum zweiten Stein auf, einem Ladestein, und bediente sich seiner Anziehungskräfte, um in der Ortschaft Dancard einen metallischen Gegenstand aufzuspüren. Sie verstärkte die Ausrichtung des Ladesteins auf das Metall und ließ sich und Midalis unter Zuhilfenahme der magnetischen Kräfte durch die dunkle Nacht tragen.
Sie landete behutsam und gab den Malachit frei. Schon rannten sie weiter, hinunter zur Brandung, im Rücken das wütende Geschmetter zahlreicher Hörner. Mittlerweile hatte Pony den Bernstein zur Hand genommen und lief Hand in Hand mit Prinz Midalis über die dunklen Fluten auf die wartende Saudi Jacintha zu. »Ich hätte ihn in den Tod stürzen lassen sollen«, erklärte Pony, als sie in sicherer Entfernung waren.
»Seine panische Angst hat ihn in den Augen seiner Untergebenen geschwächt«, erwiderte Midalis. »Wäre er ums Leben gekommen, hätte Eure Tat möglicherweise einen Aufstand ausgelöst – allerdings wäre dabei wohl kaum mehr als ein Gemetzel unter der Bevölkerung herausgekommen. Wir können den Menschen hier im Augenblick nicht helfen, denn wir verfügen weder über die nötige Zeit noch die erforderlichen Mittel, um uns eine Schlacht um Pireth Dancard zu liefern. Unten im Süden erwartet uns eine weit wichtigere Aufgabe, schon vergessen?«
Pony blieb nichts anderes übrig, als ihm widerstrebend Recht zu geben. »Man wird Euch hier auf Dancard unterstützen – mit Sicherheit wird es während Graf DePaunchs Aufenthalt noch zu Reibereien kommen.«
»Zumal er so lange dort bleiben wird, bis wir eine andere Lösung finden. Ihr habt ihn vor den Augen seiner Soldaten bis auf die Knochen blamiert, und außerdem kennen sie jetzt meine wahren Ziele. Wir haben hier einen nicht zu unterschätzenden Sieg errungen.«
Pony mochte seine Überzeugung nicht ganz teilen, war sich aber darüber im Klaren, dass sie sich fürs Erste damit zufrieden geben mussten. Der unbestimmte Wunsch indes, noch einmal heimlich an Land zu gehen, die Geschütze zu zerstören und mit DePaunch und den anderen Armeeführern endgültig abzurechnen, war immer noch vorhanden. Wenn dann Midalis’ Kriegsschiffe Dancard anliefen, würde man ja sehen, wie viel Widerstand die Insel noch zu leisten imstande wäre. Aber im Grunde wusste sie, dass Midalis Recht hatte. Was sollten sie mit den
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