Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
zuvor in ihrem Rücken abgesetzt worden waren, vermochten sie jetzt, da auch noch ihre Verbündeten aus dem Bärenreich in die Defensive geraten waren, nicht einmal mehr den Anschein eines geordneten Rückzugs zu wahren. Die Behreneser flohen Hals über Kopf in die Sandwüste.
Auf der Oststraße näherte sich in raschem Tempo eine zweite Streitmacht, doch auch diese machte binnen kurzem kehrt, als sie sich plötzlich einer gewaltigen Übermacht gegenübersah. Schlimmer noch, die anrückenden Behreneser gewahrten den Drachen, die mächtige Bestie aus To-gai, die am Himmel ihre Kreise zog, ohne dass irgendwelche Gegenmaßnahmen ergriffen wurden, um sie daran zu hindern.
Kurz darauf gesellte sich Pagonel auf der Anhöhe zu Brynn, im Gefolge einen traurig wirkenden Pechter Dan Turk und einen völlig aufgebrachten und gefesselten Yatol De Hamman.
Der Yatol fing sofort an, Brynn anzuschreien. »Das ist Verrat! Wir hatten einen Waffenstillstand ausgehandelt!«
»Ihr habt zwar so getan, als würdet Ihr die Waffen ruhen lassen, aber doch wohl nur aus einem Grund: Ihr wolltet genügend Zeit gewinnen, um Eure Reihen für den Angriff auf Dharyan-Dharielle aufzufüllen«, widersprach ihm Brynn, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen.
»Dafür habt Ihr nicht den geringsten Beweis!«
»Den brauche ich auch nicht. Mir genügt, was meine Kundschafter mir berichtet haben und ich mit eigenen Augen gesehen habe.«
»Macht Euch bereit für einen Krieg, Brynn Dharielle«, schäumte der Yatol. »Das habt Ihr allein zu verantworten.«
Brynn ließ sich von Nestys Rücken gleiten, trat vor ihn hin und sah ihm unverwandt in die Augen, ohne auch nur ein einziges Mal zu blinzeln. »Zu verantworten habt das allein Ihr mit Eurer speichelleckerischen Unterwürfigkeit gegenüber Abt Olin«, erwiderte sie gelassen. »Heuchelt Unschuld, wenn Ihr wollt, ich kenne die Wahrheit.« Dann trat sie noch näher zu ihm, bis Yatol De Hamman ihren heißen Atem im Gesicht spürte. »Merkt es Euch: To-gai ist frei, und Dharyan-Dharielle gehört mir. Ich werde mein Volk verteidigen, selbst wenn ich dafür jeden Behreneser, ob Mann, Frau oder Kind, töten müsste. Selbst wenn ich Pherols zerstörerische Kräfte über einem schutzlosen behrenesischen Dorf entfesseln müsste. Diese Lektion hättet Ihr schon im letzten Krieg lernen sollen, Yatol De Hamman.« Sie schaute hinüber zum Schlachtfeld und lenkte seinen Blick ebenfalls dorthin.
Auf die zahllosen Reihen behrenesischer Toter und Verwundeter, auf die Geier, die sich bereits auf dem harten Sandboden niederließen und ihres frischen Morgenmahls harrten.
Sie wandte sich um und betrachtete De Hamman. Er wirkte plötzlich gebrochen – die Erkenntnis dieser entsetzlichen Niederlage hatte ihm allen Widerstandswillen genommen. »Abt Olin hat Euch mit dem Auftrag hergeschickt, To-gai zu erobern, während er gleichzeitig seine Herrschaft über Behren festigt«, erklärte sie.
»Ihr habt an seiner Seite gegen Bardoh gekämpft!«, protestierte er.
»Ich habe gegen Bardoh gekämpft, weil ich Yatol Mado Wadon unterstützen wollte«, berichtigte sie ihn. »Hätte man mir wirklich die Wahl zwischen Bardoh und Abt Olin gelassen, ich hätte mich an jenem Tag in Jacintha mit aller Macht gegen das Bärenreich gewandt, lasst Euch das gesagt sein.«
»Abt Olin ist ein Freund …«
»… König Aydrians, nicht aber Behrens, wie Ihr sehr wohl wisst«, erklärte Brynn.
Yatol De Hamman blickte hinüber nach Osten, zu seinen fliehenden Truppen. Was sie trieb, war weder der Versuch eines organisierten Rückzugs noch der Wille, sich zu verteidigen, sondern blankes Entsetzen, und das erschien ihm in diesem grauenhaften Augenblick durchaus angemessen.
»Behren wird im Chaos versinken«, jammerte er. »Ohne die starke Hand Jacinthas werden die Stämme wieder in ihre alte Rivalität zurückfallen.«
»Immer noch besser, als wenn sie an die Abellikaner und deren eroberungssüchtigen König fielen«, erwiderte Brynn.
Sie gab Pagonel einen Wink, der daraufhin den am Boden zerstörten Yatol fortzog und zu den anderen Gefangenen brachte, die auf dem Feld zusammengetrieben wurden. Kaum waren sie gegangen, bedachte Brynn den niedergeschlagenen, innerlich zerrissenen Pechter Dan Turk mit einem mitfühlenden Blick.
»Ihr habt Euch klug entschieden«, versicherte sie ihm. »Und letztendlich auch zum Wohle Eures Volkes gehandelt. Ich bin mir darüber im Klaren, dass Ihr das im Moment nicht so seht, nicht jetzt, da so viele Eurer
Weitere Kostenlose Bücher