Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
einzuschätzen.«
»Und was hält sie dann von dem jungen Aydrian?«, fragte Prinz Midalis.
Darauf wusste Juraviel keine Antwort.
»Wir haben Boten in die umliegenden Ortschaften geschickt, um die dortigen Bewohner über die Rückkehr von Prinz Midalis zu unterrichten«, erklärte Pony. »Und sie davon in Kenntnis zu setzen, dass es tatsächlich Widerstand gegen Aydrian gibt, und um ihnen Hoffnung zu machen, dass das Königreich in seiner alten Form wiederhergestellt wird.«
Während dieser Ausführungen musterte Juraviel sie forschend. Er glaubte, hinter der nach außen hin zur Schau gestellten Entschlossenheit eine gewisse Unsicherheit zu spüren. »Oder vielleicht, um sie zu warnen, dass rings um sie ein Krieg ausbrechen wird?«, fragte er.
»Auch das«, gestand Pony seufzend, worauf der neben ihr stehende Prinz Midalis, leicht konsterniert, eine fragende Miene aufsetzte.
»Ich fürchte, Ihr setzt zu große Hoffnungen auf die einfachen Leute des Bärenreiches«, erklärte Juraviel dem Prinzen unverblümt. »Die meisten Dinge dürften ihren Horizont bei weitem übersteigen. Was sie sich vor allem erhoffen, ist Frieden – und Beständigkeit.«
»Euren eigenen Berichten zufolge haben sich viele auf die Seite von Herzog Kalas geschlagen«, erwiderte Midalis.
»Das stimmt«, sagte Juraviel. »Und ebenso richtig ist, dass Ihr diesen Menschen eine Alternative zu König Aydrian bieten müsst. Die Bewohner dieses Königreiches sind nicht wie Eure Freunde aus Alpinador« – dabei verneigte er sich höflich in Richtung Andacanavar und Bruinhelde –, »und sie sind anders als die derzeit von Brynn geführten To-gai-ru. Viele Jahrhunderte lang war das Bärenreich ein Königreich von großer Einigkeit und Stabilität – die Menschen kennen gar nichts anderes. Von Ursal und St. Mere-Abelle erwarten sie Schutz und Führung. Jetzt, mit dem Auftauchen Brynns, machen zum ersten Mal auch die To-gai-ru diese Erfahrung. Der Sturz des Chezru-Häuptlings in Behren hat in der dortigen Bevölkerung große Unsicherheit und Verwirrung gestiftet, die jedoch längst nicht so groß sind wie die Verunsicherung und Verwirrung in der Bevölkerung des Bärenreiches. Trotz der jahrhundertelangen Vorherrschaft des Chezru-Häuptlings hat sich in Behren eine starke Verbundenheit mit den einzelnen Stämmen erhalten. Nur im Bärenreich hat sich die Bevölkerung so stark vermischt, dass sie tatsächlich zu einem Volk verschmolzen ist. Deshalb sind die Menschen beunruhigt, und deshalb haben sie Angst«, erklärte Juraviel. »Und Ihr tut gut daran, ihnen zu versprechen, dass das Haus Ursal auch in Zukunft eine tragende Rolle spielen wird. In einem Punkt muss ich Euch jedoch warnen: Nach allem, was ich gehört habe, nach allem, was mir meine zahlreichen Kundschafter zugetragen haben, solltet Ihr nicht erwarten, dass die ganz normalen Bewohner des Bärenreiches sich gegen König Aydrian auflehnen werden, solange er ihnen, flankiert von den Rittern der Allhearts und den Legionen der Kingsmen, schier unbesiegbar erscheint.«
Prinz Midalis gab mit einem Nicken zu verstehen, dass er dies ganz ähnlich sah. »Deswegen schlagen wir zu, wo immer sich eine Gelegenheit bietet«, erwiderte er. »Wir bauen den Rückhalt in der Bevölkerung ganz allmählich auf und untergraben nach und nach Aydrians scheinbar unerschütterliche Herrschaft.«
»Und aus eben diesem Grund müsst Ihr unverzüglich zu Euren Booten zurückkehren«, erklärte Juraviel. »Ihr müsst unbedingt nach Süden, nach Jacintha, segeln und Brynn helfen, Aydrian die bislang schwerste Niederlage beizubringen.«
Alle Augen waren auf Prinz Midalis gerichtet, der eine skeptische Miene aufgesetzt hatte. »Ihr verlangt von mir, dass ich gemeinsam mit Behrenesern und To-gai-ru gegen mein eigenes Volk in den Krieg ziehen soll«, sagte er.
»Gegen König Aydrian«, stellte Juraviel richtig. »Tut Ihr das nicht ohnehin schon? War die Eroberung Pireth Dancards etwas anderes? Oder der Kampf um Pireth Tulme und St. Gwendolyn?«
»Ihr verlangt von mir, dass ich mich mit einem fremden Land gegen das Bärenreich verbünden soll«, wurde Midalis deutlicher, und es schien, als gewänne er sein Selbstvertrauen zurück. »Was wird das Volk des Bärenreiches wohl darüber denken?«
Einen Augenblick lang verstummten alle im Raum, und Juraviel sah Pony direkt an.
»Vielleicht solltet Ihr Euch bei der Suche nach einer Lösung nicht zu sehr von den Gefühlen innerhalb des Bärenreiches leiten lassen«, sagte
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