Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
Landsleute tot auf dem Schlachtfeld dort unten liegen –«
Sie stockte, als er plötzlich einen Satz zur Seite machte, seine Hand unter seinem Umhang hervorschnellte und ein langer, schlanker Dolch zum Vorschein kam.
»Befreit sie!«, schrie Pechter Dan Turk sie an.
Sofort ging Brynn in eine Verteidigungsstellung, schüttelte den Kopf und bat ihn mit einer eindringlichen Geste, sie nicht zu zwingen, ihr Schwert zu benutzen.
Doch Pechter Dan Turk hatte offenbar gar nicht vor, sie anzugreifen. »Befreit sie«, wiederholte er. »Ich vertraue auf Euer Wort.«
Brynn richtete sich auf und ließ verwirrt ihre Klinge sinken.
Pechter Dan Turk zuckte resigniert mit den Schultern, dann stieß er sich den Dolch in die Brust und taumelte nach hinten.
Sofort war Brynn bei ihm, packte ihn am Arm und versuchte, seinen Sturz in den Sand noch abzufangen. Sie wollte nach Hilfe rufen, doch dann wurde ihr bewusst, wie sinnlos das gewesen wäre. Sie zog seinen Kopf ganz nah heran und versprach ihm mit leiser Stimme, dass auch Behren eines Tages frei sein würde. Sie war jedoch nicht sicher, ob Pechter Dan Turk sie noch hörte, denn als sie sich wieder aufrichtete, war bereits jeder Funke Leben aus seinen leeren Augen gewichen.
Brynn atmete einmal tief durch, um ihre Tränen zu unterdrücken, dann legte sie ihn behutsam auf den Boden, ehe sie zu Nesty trat und sich auf dessen Rücken schwang.
Der Tag war noch jung, und der Marsch auf Jacintha hatte eben erst begonnen.
Kaum hatten sie im ersten Licht des frühen Morgens die Größe der Streitmacht erkannt, die gegen sie in Stellung gegangen war, streckten die in Pireth Tulme stationierten Soldaten die Waffen und übergaben kampflos ihre Festung.
Prinz Midalis nahm ihnen nur das Versprechen ab, niemals die Waffen gegen ihn zu erheben, dann schenkte er ihnen die Freiheit und ließ sie abziehen. Anschließend plünderte die gewaltige Flotte Pireth Tulme, füllte ihre Laderäume mit Lebensmitteln, Waffen und Rüstungsmaterial, und noch ehe die Sonne den Zenit erreicht hatte, war sie bereits wieder auf See, umschiffte, den Wind des abflauenden Sturmes in den Segeln, die Landzunge und segelte die Ostküste des Bärenreichs hinab.
Das günstige Wetter hielt an, sodass sie sich drei Tage später, am fünften Tag nach Belli’mar Juraviels Aufbruch in die Südlande, nur wenige Meilen nördlich der Abtei St. Gwendolyn der Küste näherten. Wie Juraviel es ihnen zugesichert hatte, wurden sie im Schutz der Nacht mit Fackeln eingewiesen, und wenig später befanden sich die Armeen Vanguards und Alpinadors wieder an Land, wo sie sich formierten, die Küste in westlicher Richtung verließen und kurz darauf nach Süden abschwenkten.
Anders als im Falle Pireth Tulmes leisteten die Soldaten und Mönche, in deren Obhut man St. Gwendolyn zurückgelassen hatte, dem Prinz und seiner anrückenden Armee Widerstand. Nur waren ihre Möglichkeiten, sich zu verteidigen, stark eingeschränkt, nicht zuletzt deshalb, weil man in der arg mitgenommenen alten Abtei mit den Ausbesserungsarbeiten noch nicht einmal begonnen hatte.
Einige Verteidiger, abellikanische Mönche, versuchten den Angriff mit Edelsteinmagie zurückzuschlagen, doch Pony hatte exakt dies erwartet und daher keine große Mühe, ihr Vorhaben zu durchkreuzen. Den Sonnenstein in der Hand, ließ sie die Lichtexplosionen verstummen, ehe sie ihrerseits mit den betäubenden Energiestößen ihres Grafits antwortete, der das Mauerwerk in Stücke sprengte und die Verteidiger reihenweise zu Boden warf.
Unterdessen führten Andacanavar und Bruinhelde den Hauptvorstoß bis vor die Tore der eigentlichen Abtei, die unter der schieren Wucht des alpinadoranischen Ansturms nachgaben, worauf die wenigen dahinter postierten Verteidiger entsetzt in die unteren Gewölbe der Abtei flohen. Doch selbst dort fanden sie kein sicheres Versteck.
Als Belli’mar Juraviel später in derselben Nacht wie abgesprochen zu Prinz Midalis zurückkehrte, war St. Gwendolyn bereits eingenommen.
»Die Nachrichten aus dem Süden klingen ebenfalls viel versprechend«, berichtete der Elf. »Brynn ist es gelungen, die Armee, die Dharyan-Dharielle belagerte, in die Flucht zu schlagen.«
»Nach allem, was Ihr so erzählt, scheint sie dergleichen des Öfteren zu tun«, bemerkte Pony.
»Die Solidarität unter ihren Gegnern ist begrenzt«, erwiderte Juraviel. »Und Brynn hat gelernt, dies auszunutzen. Sie ist bestens unterrichtet und vermag die Motive der Menschen ausgezeichnet
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