Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
nicht als Beleidigung auf, mein guter Graf«, fuhr Aydrian fort. »Selbst Euer Herzog Kalas weiß, wie Recht ich damit habe. Ein in den Kampfkünsten derart bewanderter Mann wie Marcalo De’Unnero ist ein wirklich seltener Glücksfall, der Inbegriff einer ganzen Generation von Kriegern. Er ist ein Mann von Ehre und großer moralischer Standfestigkeit, was er in Situationen, die Ihr vermutlich nicht einmal zu begreifen oder einzuschätzen vermögt, längst bewiesen hat. Ich möchte Euch bitten, ihn als exzellenten Verbündeten zu betrachten. Seid gewiss, sobald er die Vormachtstellung innerhalb der abellikanischen Kirche errungen hat, wird sie wieder zu einer Institution werden, die dem Thron verbunden ist – und zwar so, dass es der Größe des Bärenreiches zugute kommt.«
»Sehr wohl, mein König«, erwiderte DePaunch beflissen.
»Und vergesst niemals, mein guter Graf, solltet Ihr Marcalo De’Unnero mit Eurem Spott je zu nahe treten, wird er Euch ohne Zögern töten.«
Damit hatte sich DePaunchs stolzes Gehabe endgültig erledigt.
»Doch genug davon«, beeilte sich Aydrian hinzuzufügen, um den Befehlshaber seiner Kriegsflotte nicht allzu sehr zu demütigen. »Richtet Euer Augenmerk nicht zu sehr auf die, die diese wichtige Mission in Frage stellen. Um diese Angelegenheit muss ich mich persönlich kümmern. Ich denke, Eure Pflicht ist klar. Bereitet die Flotte zum Auslaufen vor, und sorgt dafür, dass die Männer ihre Aufgabe zu vollster Zufriedenheit erfüllen. Ihr habt mein volles Vertrauen – ich bin nicht gewillt, irgendwelchen Leuten Gehör zu schenken, die an der Klugheit dieses Feldzugs gegen Pireth Dancard zweifeln. Ich verlasse mich darauf, dass Ihr die Festung in meinem Namen einnehmen werdet. Mit der Eroberung der Insel halten wir den Schlüssel zum Golf von Korona in der Hand. Unseren Feinden aus dem Norden werden, was ihre Angriffsmöglichkeiten betrifft, dann weit weniger Optionen offen stehen. Aber gebt Acht und bleibt wachsam, guter Graf. Denn es ist durchaus möglich, dass Prinz Midalis Euch angreift, ehe wir Euch Verstärkung schicken können. Sollten die Kriegsschiffe Vanguards Pireth Dancard attackieren, müsst Ihr ihnen mit allen verfügbaren Mitteln Widerstand leisten. Und seht zu, dass Midalis einen hohen Preis dafür bezahlt.«
»Mein König«, erwiderte Graf DePaunch mit leiser Stimme, so als brächte er die Worte kaum an dem Kloß vorbei, den ihm der Stolz in Brust und Kehle hatte wachsen lassen. »Ich werde Euch nicht enttäuschen. Wenn Ihr nach Ende des Winters in den Norden segelt, werdet Ihr die Bären- und Tigerflagge König Aydrians über Pireth Dancard wehen sehen. Und eben jene Männer, die Ihr mit dieser höchst wichtigen Mission betraut, werden bereitstehen, um an Eurer Seite Pireth Vanguard zu erobern!«
Aydrian konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Insgeheim beglückwünschte er sich wieder einmal selbst zu seinem klugen Entschluss, dem alternden und viel zu bedächtig agierenden Herzog Bretherford die Verantwortung für seine Hauptflotte zu entziehen.
»Er hat Angst, das ist alles«, sagte Sadye später am selben Tag zu Aydrian, als sie in den luxuriösen Gemächern von Chasewind Manor unter sich waren. »Natürlich ist er fest davon überzeugt, dass nichts und niemand uns aufhalten kann. Trotzdem sähe er es wohl gerne, wenn wir bei unserem Triumphmarsch durch die Welt etwas vorsichtiger vorgehen würden.«
Aydrian warf ihr einen amüsierten Blick zu. »Wann hast du es je für angebracht gehalten, bei irgendetwas vorsichtiger vorzugehen?«
Die zierliche Frau stutzte.
»Oder reden wir nicht mehr von derselben Sadye, die einst mit einer Horde brutaler Banditen durch die Wilderlande zog?«, fragte Aydrian. »Derselben Sadye, die sich mit Marcalo De’Unnero angefreundet und sich ihm wegen des prickelnden Gefühls der Gefahr, für das er stand, an den Hals geworfen hat?«
Sadyes ganze Körperhaltung strahlte Ablehnung aus. »Es war mehr als das.«
»Ach ja?«, sagte Aydrian. »Ja, richtig, da war noch das Versprechen der Macht, das vielleicht mächtigste Aphrodisiakum, das die Bardin Sadye jemals kennen gelernt hat.«
Sie versuchte, seinem Blick standzuhalten, aber Aydrian spürte deutlich, dass er ihr mit seinen unverblümten Worten zuzusetzen begann. Er trat ganz nah an sie heran – zu nah –, und sie schien ein Stück zurückzuweichen, allerdings nur ein kleines Stück.
»Ich verstehe dich ja«, sagte Aydrian, seine Stimme kaum mehr als ein
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