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Schattenengel (Contoli-Heinzgen-Krimi)

Schattenengel (Contoli-Heinzgen-Krimi)

Titel: Schattenengel (Contoli-Heinzgen-Krimi) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mona Misko
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entlang, kämpfte sich im Schatten der Nacht weiter durch den Wald. Die Spitzen der Tannennadeln fegten stechend über ihren nackten Körper, über ihr weiches, kindliches Gesicht. Dünnes Astwerk traf sie wie Peitschenhiebe, ritzte ihre zarte Haut auf und übersäte sie mit blutigen Streifen. Aus ihren Fußsohlen quoll Blut, hervorgerufen vom unwegsamen Gelände. Sie hätte ständig vor Schmerzen aufschreien müssen, doch sie spürte nichts. Ihre Haut schien sich in einen Stahlpanzer verwandelt zu haben.
    Die Stimmen verloren an Volumen und verschwanden schließlich aus ihrem Gehörgang. Mehrmals rutschte sie mit den nackten Füßen auf dem glitschigen Waldboden aus oder zerrte ihre Zehen aus etwas, in das sie hängen geblieben waren. In ihrem Magen gärte es. Sie erbrach sich. Der Schleim lief ihr aus der Nase. Sie spuckte und schluckte. Plötzlich hörte sie in der Nähe Äste knacken. Obwohl sie sich nicht umsah, nahm sie ein Licht hinter sich wahr. Aus einem Impuls heraus knickte Petra zu Boden, krabbelte hinter ein Gestrüpp ins Unterholz und blieb liegen. Erschöpft, fertig, blutend. Zu schwach, ihren Körper anzuheben, um dem geißelnden dünnen Ast unter ihrem Rücken auszuweichen. Ruhig verhielt sie sich von selbst, denn der Rest ihres Bewusstsein verabschiedete sich endgültig in dem Moment, als der Kegel einer Taschenlampe an ihrem Versteck vorbei huschte. In der Tiefe der Bewusstlosigkeit glitten dunkle Stimmen über sie hinweg und verloren sich.
     
    Erste eine Weile, nachdem sie wieder zu sich gekommen war, hastete Petra weiter durch den dichten Wald, über kleine Felder und Wiesen, schmale Wege und Trampelpfade. Ohne Gespür dafür, wie lange sie schon unterwegs war. Irgendwo vor sich sah sie in der Ferne einen hellen Punkt, ein Licht? Instinktsicher nahm sie den Punkt als Wegweiser in der mondlosen Nacht, fiel hin, rappelte sich hoch, fuhr mit ihren schmierig klebenden Händen über ihren Körper, vermischte dadurch Dreck mit Blut und wischte sich schließlich über den Mund. Danach spuckte sie aus.
    Es begann zu regnen. Nach kurzer Zeit klebten ihr die blonden Haare am Schädel. Aus den Haarspitzen tropfte es weiter ihren blanken Rücken entlang. Der Dreck an ihrem entblößten Leib verformte sich in dunkle Streifen. Blut rann ihr die Schenkel herunter. Nochmals sackte sie hin. Verwirrt und hilflos begann sie, zu weinen. Nun war für eine längere Zeit der nackte unebene Boden ihr Ruhekissen. Ein Schmerz schickte ihr gemeine kleine Stiche in die Brust. Noch einmal drängte sich ihr Übelkeit in den Hals, doch diesmal wurde sie nicht ohnmächtig. Ein Geistesfunke flammte in ihrem betäubten Hirn auf. Sie wollte nach Hause, sie wollte zu ihrer Mutter.
    Weiter!
    Sie torkelte einen schmalen Weg herunter, vorbei an Häusern, die sie in der Dunkelheit kaum wahrnahm.
    Was hatte sie denn da in der Hand? Etwas Weißes. Ihre Bluse. Wie kam ihre Bluse in ihre Hand?, fragte etwas aus der letzten Ecke ihres Gehirns. Petra Busch streifte wie in Trance das knappe Kleidungsstück über und wankte weiter. Alles war so merkwürdig. Allmählich erwachte ihr Geist, aber es reichte noch nicht, um zu erfassen. Auf jeden Fall aber spürte sie eine würgende Angst. Sorge, ihre Mutter nicht mehr zu sehen, was erneut bittere Tränen lostrat, die ihr unaufhörlich die Wangen und weiter den Hals herunterliefen.
    Eine Straße hatte sie überquert, aber welche? Mit etwas festeren Schritten lief sie weiter. In der nächsten Sekunde stürzte sie vor Schreck zu Boden. Ein nächtlicher Güterzug donnerte an ihr vorbei. Nachdem sie wieder Herrin ihrer Beine war, erkannte sie zwischen aufkommenden Schwindelanfällen und wiederholter Übelkeit die Bahnlinie, die ihren eingeschlagenen Weg blockierte. Eine Weile stand sie auf dem Fleck, sah zwar rechts die gelben Lichter eines Bahnhofs, aber keine einzige Zelle in ihrem Kopf sagte ihr, dass es der Remagener Bahnhof war, den sie doch kannte. Petra Busch hielt sich links, stolperte über eine Bordsteinkante, fing sich gerade noch, wankte die Treppe herunter. Doch als sie deren Bogen nehmen wollten, verlor sie das Gleichgewicht, brach in die Knie, fiel vornüber, verlor die Sinne und rollte einige Stufen hinunter. Das Würgen ließ sie wieder zu sich kommen. Sie erbrach Galle. Gab Speichel von sich, schniefte und spuckte. Mühsam stemmte sie sich hoch und schwankte die ersten Schritte durch den Bahntunnel. Allmählich spürte sie Energie und legte an Tempo zu, bis sie schließlich weiter

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