Schattenengel (Contoli-Heinzgen-Krimi)
begann, sein Vieh einzusammeln.
Das Pferd, hochgewachsen und pechschwarz, hatte Anke samt seiner Führerin erreicht. Beide blieben auf ihrer Höhe stehen. Carola, wie der Mann sie genannt hatte, gertenschlank, blond, mit einem langen Zopf und eindrucksvollen blauen Augen, sah sie an und sagte.
„ Mein Mann kommt gleich zurück.«
Anke glaubte, Carola würde nun mit dem Pferd weitergehen, aber sie machte zu Ankes Unbehagen keine Anstalten.
„ Anke Contoli, ich bin Journalistin«, stellte sie sich schließlich vor.
Sie wartete, ob Carola nun ebenfalls ihren vollen Namen nennen würde, aber sie streichelte schweigend die schöne Blässe des Pferdes. So was. Der Rappe schnaufte und riss seinen Kopf widerspenstig in die Höhe. Anke schreckte einen Schritt zurück. Wenn ihr Mann nicht bald kommt ..., ich könnte ja auch sie fragen ... ach was soll's. Die Situation zeigte sich für Anke unbefriedigend, so verabschiedete sie sich, bedankte sich nochmals scherzhaft für die lustige tierische Aufführung und machte sich auf zu ihrem Wagen. Nach den ersten Schritten rief eine männliche Stimme hinter ihr her.
„ Was wollten Sie denn jetzt?«
Nun denn. Anke wandte sich um und ging zu den beiden samt Pferd zurück. Sie hielt aber wohlweißlich Abstand, streckte ihren Arm aus und wies in Richtung Koll-Anwesen.
„ Können Sie mir etwas über das Haus und seinen Bewohner da drüben sagen?«
Der Gestütsbesitzer blickte sie einen Augenblick verblüfft an. Er schien wohl mit vielem gerechnet zu haben, nachdem sie kein Pferd kaufen wollte, aber nicht mit dieser Frage.
„ Puh«, schnaubte er, „das Haus gehörte vor langer Zeit einem alten Mann und der hat es ziemlich verfallen lassen. Irgendwann, ich glaub, es war so vor vier oder fünf Jahren, tauchten Bauarbeiter auf und brachten es wieder auf Vordermann. Und eines Tages hatte es Bewohner.«
„ Kennen Sie denn die Herrschaften?«
Der Mann grinste. „Nein, die haben sich hier nicht vorgestellt. Wir sehen die so gut wie nie. Wir arbeiten ja auch dauernd und haben keine Zeit, uns intensiv mit der Nachbarschaft zu beschäftigen. Man sieht mal hier und da etwas, aber wenig.«
»Was sehen Sie denn so hier und da?«
Carola fasste das Pferd stramm. Anke hatte den Eindruck, als wolle sie etwas dazu beifügen. Aber sie schwieg.
„ Seit vier Jahren wohnen die Leute jetzt dort, sagten Sie?«
„ Ungefähr.«
„ Und da tut sich also nicht viel?«
„ Wie meinen Sie das? Sollte sich da was Außergewöhnliches tun?«
„ Besucher, sonst was?«
Das hatte sie jetzt einfach mal dahin geworfen, ohne etwas zu bezwecken.
„ W arum interessiert Sie das überhaupt?«, mischte sich Carola dazwischen.
„ Ich will ehrlich sein«, begann Anke und setzte eine vertrauenswürdige Miene auf, „die junge Frau, die dort wohnt, ist vor mein Auto gelaufen, hat aber überlebt.«
Das Ehepaar sah sich verwundert an. Anke schloss daraus, dass die beiden tatsächlich nichts wussten.
„ Deswegen ...«
„ Also«, warf Carola ein, „weißt du noch, Eduard ...«
Immerhin kenne ich schon beide Vornamen.
„ ... als wir vor ungefähr sechs Wochen von der Einweihungsfete morgens gegen sechs heimkamen«, sie brach plötzlich ab und schien zu überlegen, »das hat jetzt nichts damit zu tun, dass Ihnen die Frau vor den Wagen gelaufen ist, es ist mir lediglich dazu eingefallen. Also, da fuhr uns eine Wagenkolonne aus der Einfahrt entgegen. Es sah irgendwie merkwürdig aus, jedenfalls hab ich mich gewundert.«
„ Wagenkolonne? Wie viele waren es denn?«
„ Vielleicht sechs oder sieben Fahrzeuge.«
„ Was? Ich frage mich, wo die denn alle geparkt haben?«
Die Frau zuckte die Schultern.
„ Komisch, jetzt wo sie das sagen, keine Ahnung, da sind ja keine Parkmöglichkeiten, und auf dem Weg hab ich noch nie Autos parken sehen.«
Sie sah ihren Mann an, als hoffte sie auf eine Bestätigung, aber der zuckte auch nur die Schultern.
„ Aber es war trotzdem komisch«, beharrte Carola weiter, „ich kann nicht genau sagen, wieso ..., all diese Limousinen mit dunklem Fensterglas. Es wirkte düster und geheimnisvoll.«
„ Könnten es Jaguars gewesen sein?«, fragte Anke nach einem Gedanken an Fabio Kolls Wagen.
„ Keine Ahnung, jedenfalls groß und dunkel wie die Nacht selbst.«
Die Gestütsfrau schüttelte sich demonstrativ, sofort wurde das Pferd unruhig. Sie zog am Zügel, bis es wieder friedlich neben ihr stand und gelangweilt in die Gegend schaute.
„ Ich fuhr in der Nacht
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