Schattenengel (Contoli-Heinzgen-Krimi)
hat.
„ Möchten Sie reden? Ihr Herz ausschütten? Mir oder vielleicht mit meinem ...,« hier stockte Anke einige Sekunden, das Wort Mann wollte ihr nicht flüssig über die Lippen kommen. Aber er ist es ja noch.
„ ... meinem Mann«, beendete sie dennoch den Satz.
Laura sah sie daraufhin erschrocken mit aufgerissenen Augen an. Oder mehr ängstlich?, rätselte Anke. Lauras Kopfschütteln wollte nicht enden. „Ich kann nichts sagen, nichts sagen, nichts!«, klagte sie und schrie das letzte Wort regelrecht heraus. Erneut begann sie, zu weinen. Zuckte mit dem Körper, als hätte sie einen Stromschlag bekommen, kratzte sich in die Haare, als jucke ihr die Kopfhaut, konnte sich aber anscheinend durch die Perücke keine Erleichterung verschaffen. Schließlich fing sie an zu hyperventilieren. Anke schnellte in die Küche und kam wenig später mit einem Glas Wasser zurück. Aber die mitgebrachte Tablette verabreichte sie Laura dann doch nicht. Wer weiß, was sie schon alles geschluckt hat? Lauras Zustand verschlechterte sich rasant. Anke versuchte, der aufgelösten Frau etwas Wasser aus dem Glas einzutrichtern. Doch in der nächsten Sekunde landete es durch Lauras Handschlag auf dem Boden und der Inhalt rann unter einige der dort liegenden Zeitungen. Anke wich zurück, während sie dem Glas nachsah. Fieberhaft überlegte sie, was sie tun sollte. Fabio anrufen? Wolf oder den Notarzt? Noch während sie nachdachte, fuhr sie entsetzlich zusammen. Unerwartet hatte ihr Besuch hysterisch losgeschrien:
„ Ich will das alles nicht mehr! Ich hasse, hasse ...!«
Anke sprang ein Stück zurück und starrte fassungslos auf die ausrastende Frau. Laura war aus dem Sessel gesprungen und hatte sich in der nächsten Sekunde zurückfallen lassen. Im Sitzen stampfte sie mit den Füßen auf den Boden und lief rot an, dass Anke für einen Augenblick dachte, sie würde ihr gleich vom Schlag getroffen entgegenfallen. Mit flammenden Augen der Verzweiflung, oder war es Panik?, wehrte Laura mit den Armen etwas Imaginäres ab. Abrupt wechselte die Überaktion in beklemmende Ruhe. Ihr Zustand taumelte zwischen Vernunft und Wahnsinn. Scheinbar ruhig veränderte sich Lauras Gesicht langsam hin zu einem breiten Lächeln. So wie bei Irren. Für einige Sekunden nahm Anke an, Laura hätte ihren Geist verloren.
„ Ich habe eine Tochter, wissen Sie.«
Anke starrte in Lauras wirren Blick .„ Wie schön«, schaffte sie zu antworten.
Um Laura zurückzuholen, schüttelte sie die Frau. Die riss für einen Augenblick die Augen auf, ließ mitunter die Lider fallen und seufzte:
„ Meine Tochter weiß nicht, wer sie ist. Ich darf es ihr nicht sagen. Es ist so furchtbar für mich.« Ein weiterer Wasserfall ergoss sich über Lauras Gesicht, ehe sie langsam ausatmete und, wohl mehr um sich selbst zu beruhigen, beteuerte: „Alles ist gut so, wie es ist.«
Anke wollte just auf sie zugehen, sie in den Arm nehmen, sie wiegen und trösten wie ein Kind, wollte noch mehr aus ihr herausbekommen, als es passierte. Lauras Kopf flog in den Nacken, als hätte sie einen schweren Schlag gegen die Stirn bekommen. Sogleich sprang sie aus dem Sessel und ballte die Fäuste. Ein Schrei schallte an die Decke. Anke wich bestürzt zurück. Mit aller Schärfe brach sich Lauras Erbitterung bahn. Sie ist ein lebendes Pulverfass. Gleichermaßen erstaunt wie erschrocken beobachtete Anke aus geringer Entfernung, wie Laura unbändig in der kleinen Wohnung herumlief, bis sie mit einem Fuß voller Wucht gegen den Zeitungsstapel trat und brüllte: „Ich bringe ihn um! Eines Tages bringe ich ihn um, dann sind wir endlich frei!«
Wen meint sie denn jetzt? Fabio? Wenn Laura sich noch mehr in ihren Wahn flüchtete, war kaum noch in ihr ungesteuertes Verhalten einzugreifen. Wie, verdammt, werde ich Herrin der Lage? Leichte Panik kroch in Anke hoch, denn sie hatte keine Ahnung, wie sie diese aufgebrachte Frau bändigen sollte? Stand nur da und starrte ihre nächtliche Besucherin mit geöffnetem Mund an. Laura rannte in der Wohnung umher und trat nach allem, was ihren Weg kreuzte. Das sonst liebreizende Gesicht war zur Fratze entstellt. Diese Frau stand derart unter Dampf, dass sie eine Gefahr für sich selbst und andere darstellte. Für Anke gab es kein Halten mehr. Sie rief die 112.
Nach knapp zehn Minuten stürmte der Notarzt samt Gefolge die Treppe hoch. Nach der Erstversorgung und ein paar Informationen durch Anke war Laura nun, wie der Notarzt Anke informierte, auf dem Weg in die
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