Schattenengel (Contoli-Heinzgen-Krimi)
erneut. Ein wenig-Worte-Mann.
„ Wollen Sie sein Verschwinden dann nicht der Polizei melden?«
Anke ließ das darauf folgende Schweigen eine Weile zu, grübelte, was sie noch fragen könne, aber in ihrem Kopf kreisten die Gedanken wirr umher. Endlich fühlte sich der Notar bereit, etwas zu sagen.
„ Mein Mandant hat mir ausdrücklich untersagt, irgendetwas zu unternehmen, außer Ihnen das Schriftstück zu überreichen. Und das ...«, fuhr Dr. Meuren fort, „tue ich nun ...« Ankes Hand zuckte vor, „ ... und übergebe Ihnen den Brief.«
Mit diesen Worten durfte sie ihn endlich in Empfang nehmen. Sie lächelte dabei den Notar an, während eine fieberhafte Ungeduld in ihrer Kehle pochte. Mit halb gesenkten Lidern streifte sie die schwungvollen, königsblauen Lettern ihres Namen auf dem weißen Umschlag.
„ Muss ich ihn hier öffnen?«
Dr. Meuren schüttelte den Kopf. „Aber bitte hier unterschreiben«, er legte ihr ein Blatt vor, „dass ich Ihnen den Brief übergeben habe.«
Anke fegte ihre Unterschrift unter das Dokument. Sie brannte darauf, sich zu verabschieden und in ihren Wagen zu eilen. Mit der Frage: „Ich darf mich doch melden, falls ich noch ...?!
„ Selbstverständlich«,, antwortete Agassi schon, ehe sie ihren Satz beendet hatte, lächelte und wiegte sein glänzendes Haupt.
Hastig, aufgeregt und mit einem unbehaglichen Gefühl schlitzte Anke den Umschlag auf. Was hat der Kerl mir mitzuteilen? Sie lenkte ihre Aufmerksamkeit auf das Papier. Unbewusst hatte sie die gleiche, schwungvolle königsblaue Schrift erwartet, aber sauber mit dem Computer verfasst las sie:
Im Mai 2012
Sehr verehrte Frau Contoli,
sicher werden Sie sich über diesen Brief wundern. Ja, ich sehe Ihr hübsches Gesicht mit den aufregenden, roten Locken vor mir, während ich diese Worte verfasse.
Wenn sie diese Zeilen lesen, bin ich tot. Umgebracht, und liege irgendwo, wo man mich niemals finden wird.
Lupara Bianca.
Der Grund meiner Ermordung liegt in einem spektakulären Geheimnis der Familie, deren Freund ich bin. Wenn Sie es lüften, führt es Sie weiter zu ungeklärten Fällen der unmittelbaren Vergangenheit. Mir kann nichts mehr geschehen. Ich bin mit den dunklen Flecken meiner Seele bereits in des Teufels Krallen.
Warum ich Sie nicht einfach alles hier wissen lasse? Damit würde ich Ihre Intelligenz sowie Ihren journalistischen Ehrgeiz missachten. Jedoch ein kleiner Hinweis: der erste Buchstabe ist ein „V«, graben Sie 19 Jahre zurück ...
Leider ist es mir vor meiner Ermordung nicht mehr gelungen, die Kopie einer silbernen Scheibe zu fertigen, sie birgt so einige Namen ....
Viel Erfolg, und lassen Sie sich durch keine Schwierigkeiten abhalten. Sie sind eine der Besten. Also enttäuschen Sie mich in der Hölle nicht.
Ihr ergebener Klaus Nett.
PS. Häufig ist es anders, als es scheint ...
Mehrmals las Anke die Zeilen, schnappte nach Luft, während ihr Inneres in Aufruhr geriet. Im Augenblick wusste sie nicht, was sie denken, wo sie anfangen sollte. Nur so viel war ihr klar. Sollte sie Erfolg haben, würde sie unter Umständen die Familie Koll, wen auch immer aus der Sippe, ans Messer liefern. Der Gedanke gefiel ihr nicht, weil sie unwillkürlich an Laura denken musste. Sie hatte diese kleine verrückte Frau ohne es zu wollen ins Herz geschlossen.
Es gibt keine Zufälle im Universum. Mit einem Mal spürte sie ihren Herzsc hlag überall im Körper. Es pochte, kribbelte und knisterte in jeder Faser ihres Leibes. Die Aufregung in ihr drohte überzukippen. Wolf anrufen! Später .
Es war reichlich komisch. Seitdem sie beide letzte Nacht dem Himmelbett so nahe gewesen waren, fühlte sie sich ihm neu verbunden. Die alte Vertrautheit winkte. Anke verspürte das unbändige Verlangen, ihn anzurufen, zu sprechen, seine Meinung zu hören. Ich muss Klaus Nettt nicht folgen? Aber ich bin Journalistin und das ist ein heißer Tipp. Es könnte Menschenleben retten oder kosten. Unter Umständen haben sie ein schweres Verbrechen begangen? Fang einfach an, aufhören kann ich immer noch. Anke warf den Motor an und lächelte über die sich selbst gestellte Option. Ich hab noch nie aufgehört, wenn ich einmal angefangen habe.
Eine Weile später eilte sie erneut über den Korridor der Psychiatrischen Klinik. Vor Lauras Tür hielt sie inne, versuchte, sich zu sammeln und gleichmütig zu wirken. Laura, was hatte sie bereits alles gefaselt? Warum habe ich nur nichts davon aufgeschrieben? Entschlossen, aus Laura erste
Weitere Kostenlose Bücher