Schattenengel (Contoli-Heinzgen-Krimi)
verwertbare Hinweise herauszukitzeln, klopfte Ankes an die Tür. Niemand antwortete. Hoffentlich schläft sie nicht.
Mehrere Sekunden starrte Anke auf das hergerichtete leere Bett, bis sie endlich begriff. Laura Koll war nicht mehr Patientin in diesem Zimmer. Sie haben sie verlegt. Eilig begab sich Anke zum Stationszimmer. Wünschte sich, Schwester Melanie anzutreffen, die kannte sie wenigstens. Aber eine andere, weniger korpulente Schwesternschülerin erklärte, dass die Patientin gestern Abend noch von ihrem Bruder abgeholt worden war.
„ Aber ...«, fand Anke die ersten Worte, „das geht doch nicht so einfach.«
Das Mädchen zuckte die Schultern. „Wenn Sie einen Moment warten, gleich kommt eine Schwester.«
Also wartete Anke. Nach zehn Minuten erschien endlich Schwester Melanie. Aber Anke konnte ihr kein Lächeln entlocken. Ein ungutes Gefühl beschlich sie. Und Melanie herrschte sie auch sogleich in einem Ton an, als hätte Anke die Patientin eigenhändig aus dem Krankenhaus gezerrt:
„ Laura Koll ist weg.«
„ Was ist passiert?
Melanie zog ein grimmiges Gesicht. Sie schien offensichtlich über etwas erbost zu sein, dass mit Laura zusammenhing.
„ Entschuldigen Sie. Ich rede sonst nicht so, aber Sie sind ja Gott sei Dank keine Verwandte. Also brauche ich mich auch nicht zusammenzunehmen.«
Anke war in voller Erwartung, was Schwester Melanie nun in ihrem aufgebrachten Zustand Weiteres zu sagen hatte.
„ Dieser arrogante Pinkel hat sie einfach mitgenommen.«
„ Ihr Bruder Fabio?«
Jemand anderes kam Anke unter diesem Terminus nicht in den Sinn. Melanie nickte.
„ Scheint einen guten Draht zum Professor zu haben. Ist ja nicht das erste Mal. Dabei hätte die Kleine es nötig, mal gründlich therapiert und durchgecheckt zu werden.«
» Was meinen Sie mit „guten Draht? Sind die beiden etwa verwandt?«, stellte Anke eine strategische Frage, denn ein wenig mehr wollte sie überdies heraus bekommen.
„ Das sicherlich nicht«, antwortete Schwester Melanie sofort, „aber die haben privat etwas miteinander zu tun. Ich habe die beiden einmal in Eintracht zusammen in einer noblen Nachtbar gesehen. Ich weiß das noch, weil es der Geburtstag meines Mannes war. Der Nightclub war mein Geschenk an ihn. Wir haben uns dort einen spannenden Abend gemacht.«
Rasch überlegte Anke. So viele Nachtbars existierten in Bonn nicht und mit nobel würde sie die Business Bar auszeichnen.
Wenige Minuten nach dem Gespräch mit Schwester Melanie klopfte Anke an die Sekretariatstür von Prof. Dr. med. Klaus Heinrich, ärztlicher Direktor. Eine freundliche Dame, bekleidet mit einem schlichten Kostüm fragte, was sie wünsche. Anke nannte ihr Begehren. Die Mitarbeiterin runzelte die Stirn, und ehe sie fragen konnte, ob Anke einen Termin habe, fügte sie rasch hinzu: „Es geht um die Entlassung von Laura Koll.«
Einen Moment schien Dr. Heinrichs Sekretärin nicht zu wissen, wie sie reagieren sollte, deshalb fragte sie, ob Anke eine Verwandte sei. Immer diese Fragen, die mich in die Klemme bringen. Während Anke überdachte, ob sie ja oder nein antworten sollte, öffnete sich die Doppeltür des Vorzimmers und ein weißer Kittel wedelte herein. In ihm steckte eine fast zwei Meter große, männliche, gut gefütterte Gestalt mit einem runden Kopf und freundlichen Augen.
Der Mann bedachte seine Sekretärin mit einem heiteren Lächeln und legte ihr etwas auf den Schreibtisch. Erst danach schien er Anke zu bemerken. Ehe sie ihr Anliegen loswerden konnte, hatte er ihr kurz zugenickt und war an ihr vorbei durch die Vorzimmertür auf den Flur entschwunden. Anke folgte ihm stehenden Fußes. Mit vergrößerten Schritten hatte sie ihn bald eingeholt.
„ Herr Professor, kann ...«
Er blieb stehen. Als er sie als die Person aus seinem Vorzimmer erkannte, schenkte er ihr das gleiche Lächeln wie seiner Sekretärin. Dr. Heinrichs neigte seine Kugel mit den dichten braunen Haaren fragend zur Seite. Anke holte Luft.
„Ich will nicht lange drum herum reden, also ganz direkt ... nun sag's „ ... wieso ist Laura Koll schon wieder entlassen?«
Der Professor zog eine Braue hoch, drehte sich um und ging weiter, als hätte sie überhaupt nichts gesagt. Anke sah ihm verdutzt nach, ehe sie in Bewegung geriet und hinter ihm herschnellte. „Also so was«, murmelte sie. Eine derartige Reaktion auf eine ihrer Fragen war ihr noch nie passiert. Auf ihre Schritte hin sah Dr. Heinrichs über die Schulter und blieb erneut stehen.
„ Sind
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