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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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»Sie glauben, der Sieg sei ihnen gewiss, und fragen sich, warum sie ihn mit anderen teilen oder – schlimmer noch – ihren nichtswürdigen Oberhäuptern womöglich ganz überlassen sollen. Überlegt doch mal: Wenn Nersei Proyas kommt, ist Calmemunis nur noch ein kleines Licht. Das Gleiche gilt für Tharschilka und Kumrezzer. Wenn die Hauptstreitmacht aus Galeoth und Ainon eintrifft, verlieren die drei mit Sicherheit ihre herausragende Stellung. Im Moment sind sie es, die den Heiligen Krieg anführen, und sie möchten…«
    »Also musst du die Verteilung der Lebensmittel stoppen, Xerius«, unterbrach Istriya. »Um sie am Abmarsch zu hindern.«
    »Vielleicht«, ergänzte Skeaös, »könnten wir ihnen sagen, wir hätten Ungeziefer in unseren Kornspeichern entdeckt.«
    Xerius musterte seine Mutter und seinen Neffen und versuchte, nicht allzu höhnisch zu lächeln. Hier verlief sie also, die Grenze zwischen ihrem Verstand und seiner Genialität. Nicht einmal Conphas, der schlaue Fuchs, hatte seinen Schachzug vorhergesehen. »Nein«, sagte er. »Sie marschieren.«
    Istriya sah ihn so überrascht an, wie ihr faltiges Gesicht nur erlaubte.
    »Wir sollten vielleicht die Sklaven wegschicken«, meinte Conphas.
    Mit einem Händeklatschen ließ Xerius die eingeölten Diener das Weite suchen.
    »Was hat das zu bedeuten, mein Sohn?«, fragte Istriya. Ihre Stimme bebte, als hätte der Schreck ihr den Atem geraubt.
    Conphas beobachtete ihn mit einem sanften Lächeln. »Ich denke, ich weiß, was es bedeutet, Großmutter. Könnte es sein, Onkel, dass der Padirajah um eine… Geste gebeten hat?«
    Xerius stierte seinen Neffen mit offenem Mund an. Die Überraschung hatte ihm die Sprache verschlagen. Wie konnte er davon wissen? Offenbar gab es inzwischen überall Spione und sicher einen viel zu lässigen Umgang mit vertraulichen Informationen. In gewisser Hinsicht hatte Xerius seinen Neffen immer gefürchtet. Dabei ging es nicht allein um seine Intelligenz. Conphas hatte etwas Totes an sich, schlimmer noch: etwas Aalglattes. Im Kontakt mit anderen, sogar mit seiner Mutter – die allerdings in letzter Zeit auch sehr unzugänglich gewirkt hatte –, gab es immer ein Wechselspiel unausgesprochener Erwartungen und kleiner menschlicher Bedürfnisse, das jede Unterhaltung begleitete, ja würzte und selbst in Momenten des Schweigens noch wirksam war. Bei Conphas aber gab es nur die reine Oberfläche. Sein Neffe war emotional nicht zu erreichen. Nur Conphas vermochte Conphas zu rühren – auch wenn er sich manchmal den Anschein gab, er ließe sich von anderen beeinflussen. Doch das tat er (wie alles) aus einer Laune heraus. Ja, Conphas war perfekt.
    Aber wie konnte man so einem Menschen beikommen? Und beikommen musste er ihm!
    »Schmeichelt ihm«, hatte Skeaös seinem Kaiser einmal geraten, »und er macht Euch zu einem Teil der ruhmreichen Legende, als die er sein Leben sieht.« Das aber brachte Xerius nicht über sich. Jemandem zu schmeicheln, hieß, sich zu erniedrigen.
    »Wie hast du davon erfahren?«, fragte er verärgert, und die Furcht ließ ihn ergänzen: »Oder muss ich dich in den Ziek schicken, um das herauszufinden?« Der Turm von Ziek brachte jeden zum Zittern, der ihn aus dem Gedränge Momemns aufragen sah. Der Blick seines Neffen verhärtete sich kurz. Eine emotionale Reaktion! Wie hätte es auch anders sein sollen – schließlich hatte sich da gerade einer erlaubt, dem großen Conphas massiv zu drohen.
    Xerius lachte.
    Istriyas schneidende Stimme fuhr in seine Heiterkeit. »Wie kannst du über solche Sachen Witze reißen, Xerius?«
    Hatte er einen Witz gerissen? Vielleicht.
    »Entschuldige bitte meinen derben Humor, Mutter, aber Conphas hat richtig getippt und ein Geheimnis erraten, das gefährlich genug ist, uns alle zu vernichten, falls…« Er hielt inne und wandte sich wieder an Conphas. »Deshalb muss ich wissen, wie du das hast vorhersehen können.«
    Conphas war nun vorsichtig. »Es ist einfach das, was ich tun würde. Skauras… nein, die Kianene müssen einsehen, dass wir keine Fanatiker sind.«
    Skauras. Das Falkengesicht Skauras. Der altbekannte Name des gerissenen Sapatishah-Gouverneurs von Shigek und damit des ersten zähen Hindernisses, das der Heilige Krieg zu überwinden hatte. Wie schlecht die Männer des Stoßzahns die Lage zwischen den Flüssen Phayus und Sempis sondiert hatten! Nansur und Kian lagen seit Jahrhunderten periodisch miteinander im Krieg, kannten sich genau und hatten unzählige

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